Süddeutsche Zeitung

Cristina Kirchner in Deutschland:Präsidentin mit Hang zum Schrillen

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Hoher Besuch aus Buenos Aires: Kanzlerin Merkel empfängt an diesem Mittwoch Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Die ist nicht nur für ihr Temperament bekannt, sondern auch für manch legendären Auftritt.

P. Burghardt

Ein größeres Gruppenfoto wird es diesmal nicht geben, das vereinfacht die Sache. Wenn sich Angela Merkel und Cristina Fernández de Kirchner bislang bei internationalen Gipfeln begegneten, trennte die beiden ein auffällig unterschiedlicher Umgang mit der Uhr. 2007 in Lima fehlte die argentinische Präsidentin beim ersten Familienbild, wegen ihr mussten sich die Staatschefs noch mal aufstellen. 2008 in Washington eilte sie wieder zu spät zum Termin mit dem Fotografen, in beiden Fällen bekam die pünktliche Merkel einen Lachanfall.

Am Mittwoch empfängt die Kanzlerin den diesmal sicher protokollgerechten Gast aus Buenos Aires in Berlin, zuvor hat Cristina de Kirchner bei der Frankfurter Buchmesse den Pavillon von Ehrengast Argentinien eingeweiht.

Der Anlass sollte interkulturell unproblematisch sein. Ansonsten sind die beiden Politikerinnen doch recht verschieden. Im Gegensatz zur dezenten Merkel liebt die Dame vom Rio de la Plata den schrillen Auftritt. Ihre Garderobe beschäftigt die Berichterstatter, nach der Landung in Alemania am Montag schritt sie mit Trenchcoat, Sonnenbrille und wallendem rotbraunen Haar über den roten Teppich.

Ebenfalls legendär ist das Temperament der Juristin, die mit dem Kürzel CFK das achtgrößte Land der Erde regiert. Sie spricht gut und viel und frei, auch damit hat Merkel Erfahrung. Spiegel-Reporter erlebten, wie die europäischstämmige Südamerikanerin 2009 bei den G 20 in London Merkel ins Wort fiel, als es um die Goldreserven ging. "Cristina, ich bitte dich, nicht böse zu sein", bat die Kanzlerin. "Ich bin auf niemanden böse", antwortete die Señora - und debattierte weiter.

An ihrem ausgeprägten Selbstbewusstsein und ihrer Hartnäckigkeit scheiden sich die Geister; damit hat sie Karriere gemacht. Cristina Fernández de Kirchner wurde 1953 in La Plata geboren, ihre Eltern hatten spanische und deutsche Wurzeln.

Mit ihrem Mann Néstor ging sie während der Militärdiktatur nach Patagonien, später eroberte das Paar die Nation. Nach dem Staatsbankrott wurde er 2003 Präsident, 2007 übernahm sie, 2011 will wieder er gewinnen.

Die Opposition schäumt wegen der Familiendynastie. Die Kirchners zerstritten sich mit den mächtigen Bauern und den privaten Medien. Für Erheiterung sorgte ihre Entscheidung, Evita Perón, den Guerillero Che Guevara, den Tangosänger Carlos Gardel und Fußballer Diego Maradona zu Argentiniens Ikonen für die Buchmesse zu erklären.

Die Literaten Jorge Luis Borges und Julio Cortázar kamen später dazu. CFK kontert gerne auf Twitter. Ebenbürtige politische Gegner haben die Linksperonisten Kirchner nicht. Dafür sind ihre Rivalen zu schwach, dafür wächst die Wirtschaft trotz üppiger Inflation zu stark.

Im Berliner Kanzleramt werden wohl auch Argentiniens Schulden diskutiert werden. Wegen der Forderungen deutscher Gläubiger musste die Republik schon fürchten, dass der Regierungsjet Tango 01 und eine Dinosauriersammlung beschlagnahmt werden.

2011 soll Merkel dann zu Cristina Fernández de Kirchner nach Buenos Aires kommen. Vielleicht werden die zwei noch Freundinnen.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2010
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