Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Scholz plant weitere Schulden

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Um die steigenden Kosten der Corona-Krise zu bewältigen, will der Finanzminister einen Nachtragshaushalt vorlegen. Damit sollen Unternehmenshilfen, Kinderboni und Covid-Tests bezahlt werden.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Berlin

Die Bundesregierung muss in diesem Jahr deutlich mehr Geld als erwartet aufwenden, um die Folgen der Pandemie zu mildern. Weil bereits jetzt, nach nur zwei Monaten, absehbar ist, dass das kalkulierte Geld nicht reichen wird, muss Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) den Bundestag um einen zusätzlichen zweistelligen Milliardenbetrag bitten. Er will dazu Ende März einen Nachtragshaushalt vorlegen, der nach Informationen der Süddeutschen Zeitung rund 35 Milliarden Euro umfassen könnte. Die endgültige Summe wird noch verhandelt, sie hängt auch davon ab, ob ein weiterer Corona-Puffer angelegt werden soll. In der Koalition heißt es, die Summe könne noch steigen.

Das Geld wird benötigt, um die jüngsten Beschlüsse des Koalitionsausschusses und der Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin zu finanzieren. Die große nationale Teststrategie wird monatlich einen einstelligen Milliardenbetrag kosten, die Kinderboni weitere 3,8 Milliarden Euro, die Bundesagentur für Arbeit erhält noch mal mehr als sechs Milliarden Euro für Kurzarbeitergeld aus der Steuerkasse, die Pflegeversicherung bekommt drei Milliarden Euro.

Die Höhe der Neuverschuldung wäre historisch

Scholz will auch die neue Milliardensumme über Kredite finanzieren. Deutschland kann sich am Markt Geld leihen, ohne Zinsen bezahlen zu müssen. Um die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schäden der Pandemie zu begrenzen, hatte der Finanzminister bereits 180 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten für den Haushalt 2021 eingeplant. Der Nachtragshaushalt käme als zusätzliches Budget dazu.

Die Höhe der Neuverschuldung wäre historisch. Die Bundesrepublik würde 2021 erstmals in ihrer Geschichte mehr als 200 Milliarden Euro an zusätzlichen Krediten aufnehmen. Das ist mehr als die Hälfte eines Bundeshaushalts aus Vor-Corona-Zeiten; im Jahr 2019 hatte der Bund insgesamt 356 Milliarden Euro ausgegeben - ohne dafür neue Schulden machen zu müssen.

Seit Beginn der Corona-Pandemie rechnen die Haushaltsexperten im Bund mit anderen Zahlen. Allein 86 Milliarden Euro sind inzwischen an Wirtschaftshilfen bewilligt, dazu kamen 25 Milliarden Euro Kurzarbeitergeld. Die Wirtschaftshilfen waren zuletzt allerdings vermehrt in die Kritik geraten. Unternehmen warteten lange, bis überhaupt Zahlungen ankamen, die Abschläge deckten oft nur einen Bruchteil der entstandenen Kosten.

Der Härtefallfonds hatte während des Bund-Länder-Treffens einen heftigen Streit verursacht

Damit niemand vergessen wird, hatten Bund und Länder sich zusätzlich auf einen Härtefallfonds verständigt. Er soll all jenen Unternehmen helfen, die zwar durch die Pandemie in Not geraten sind, an denen die bisherigen Hilfen aber vorbeigehen - sei es, weil sie bestimmte Kriterien nicht erfüllen, weil sie Umsatzgrenzen ganz knapp unterschreiten oder weil das Vergleichsjahr 2019 für einen Umsatzvergleich bei ihnen nicht taugt. Geprüft werden müsste das in jedem Einzelfall, und die Regeln dafür wollen Bund und Länder bis zur kommenden Woche geklärt haben.

Der Härtefallfonds hatte während der Verhandlungen der Ministerpräsidenten in der Nacht zum Donnerstag im Kanzleramt ungewöhnlich heftigen Streit verursacht. Die Länderchefs wollten Scholz dazu bewegen, mehr Geld als die vereinbarte Hälfte in den Fonds einzuzahlen. Auf das kompromisslos klingende Nein hin war Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Finanzminister hart angegangen, es kam zum Streit. Der harsche Ton zeigte, wie nervös viele sind; Scholz und Söder hatten um die vergleichsweise geringe Summe von zwei Milliarden Euro gestritten, die je zur Hälfte von Bund und Ländern getragen werden soll.

Um die neuen Schulden machen zu können, hat der Bundestag im laufenden Jahr - wie zuvor schon 2020 - die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt; die Regel setzt der Neuverschuldung enge Grenzen. Für Krisen gibt es eine Ausnahmeklausel. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung steht inzwischen fest, dass die Klausel auch im kommenden Jahr und damit zum dritten Mal gezogen werden soll; einen entsprechenden Vorschlag will Scholz ebenfalls Ende März vorlegen, zusammen mit den Eckwerten für den Haushalt 2022. Das bedeutet, dass der Bund im Jahr 2022 mehr als die bislang vorgesehenen 10,5 Milliarden Euro an neuen Krediten wird aufnehmen müssen. Die nächste Bundesregierung dürfte wenig Spielraum haben.

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