Süddeutsche Zeitung

Corona-Demonstrationen:Innenminister fürchten noch radikalere Proteste

Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden deuten auf "Radikalisierungstendenzen", warnen die Innenminister. Eine besondere Rolle spielt dabei offenbar die AfD.

Von Markus Balser, Berlin

Deutschlands Innenminister und der Verfassungsschutz fürchten eine noch stärkere Radikalisierung der Corona-Proteste. "Es gibt Erkenntnisse bei Sicherheitsbehörden, dass wir in nächster Zeit mit zunehmender Radikalisierung und entsprechenden Aktivitäten zu rechnen haben", warnte der scheidende Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Baden-Württembergs Ressortchef Thomas Strobl (CDU), am Freitag auf einer Pressekonferenz von Landesinnenministern und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz sehe weitere "Radikalisierungstendenzen", sagte Faeser.

Ins Zentrum der Kritik rückt dabei die Rolle der AfD. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sieht die Partei als einen zentralen Faktor, der zur Radikalisierung beiträgt. "Sie ist ganz eindeutig eine Gefahr für diese Demokratie", sagte der SPD-Politiker. "Teile der AfD spielen eine besondere Rolle, weil sie diese Demonstrationen organisieren und maßgeblich dabei sind." Die Partei versuche, Kapital aus der Corona-Krise zu schlagen, "indem ihre Ortsverbände diese organisierten, nicht-angemeldeten Versammlungen auf den Weg bringen, teilweise sind es örtliche Abgeordnete, die das tun", kritisierte Pistorius. Die Einschätzung birgt Brisanz, weil der Verfassungsschutz die gesamte Partei in den nächsten Wochen als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen könnte.

Strikt verurteilten die Innenminister Kundgebungen vor den Häusern von Ministerinnen oder Kommunalpolitikern. Auf der Tagesordnung ihres Treffens in Stuttgart stand auch die Frage nach einer Strategie gegen Aufrufe zu Mord und Gewalt, die über Telegram verbreitet werden. Faeser sagte, sie sehe bei Google und Apple Bereitschaft, gegen Gewaltaufrufe in Telegram-Gruppen vorzugehen. Ihr Ministerium habe festgestellt, dass insbesondere Google da "sehr kooperativ" sei. Bei den Gesprächen mit den beiden Unternehmen gehe es darum, zusammenzuarbeiten, "damit die Inhalte gelöscht werden".

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