Süddeutsche Zeitung

China:Rot und reich

Lesezeit: 2 min

Nirgends leben so viele Milliardäre wie in Peking. Selfmademen sind die wenigsten unter ihnen: Reich wird man in China am besten, in dem man mit der KP mauschelt. Im Volk wächst die Unruhe.

Von Kai Strittmatter

Globale Ranglisten waren zuletzt nicht sehr gnädig zu Peking. Auf der Liste der Unternehmensberatung Mercer, die die lebenswertesten Metropolen der Welt aufzählt, reichte es gerade mal für Platz 118. Nur einmal schaffte es Chinas Hauptstadt ganz nach oben; als nämlich das Reiseportal Trip Advisor nach den unfreundlichsten Städten der Welt fragte, da holte sich Peking die Silbermedaille hinter Moskau. So gesehen könnte die Stadt jetzt jubilieren, der Shanghaier Hurun-Report verlieh ihr eine ganz besondere Krone: Peking hat demnach soeben New York abgelöst als Milliardärshauptstadt der Welt.

Hundert Dollar-Milliardäre sollen in Peking leben, fünf mehr als in New York. Überhaupt zählte China im Jahr 2015 erstmals mehr Milliardäre als die USA, es steht 568 zu 535. Anzunehmen, dass die Feierlichkeiten gedämpft ausfallen. Schließlich regiert in dem Land noch immer eine Partei, die die "Vorhut der Arbeiterklasse" sein möchte, auch wenn sie seit Jahren mit dem Kapital ins Bett geht.

Die Kommunistische Partei weiß, welche Sprengkraft in den Zahlen liegt: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in China längst größer als in den USA. Das offiziell kommunistische China ist heute eines der ungerechtesten und "ungleichsten Länder der Welt", so stand das in einem Papier des Internationalen Währungsfonds vom letzten Jahr, das vor "maßgeblichen gesellschaftlichen Folgen" warnte.

Die meisten der neuen Superreichen seien Selfmade-Milliardäre, vermeldet der Hurun-Report, ein Wirtschaftsmagazin. Wenn's denn so wäre. In China herrscht Kaderkapitalismus, reich wird man nur mit der Duldung der KP. Milliardär werden durch harte Arbeit? Das mag für manche auf der Liste durchaus gelten, für die international bekannten Gesichter aus dem IT-Bereich etwa: Jack Ma vom Konzern Alibaba oder Pony Ma von Tencent. Für andere gilt es eher nicht. Die größte Gruppe auf der Hurun-Liste, zu der auch der reichste Mann des Landes gehört, Wang Jianlin vom Wanda-Konzern, ist mit Immobilien reich geworden. Dort mauscheln Macht und Geld in China noch inniger als in anderen Ländern.

Im Volk herrscht der starke Verdacht, dass viele Reiche ihr Vermögen nicht nur auf redliche Weise gescheffelt haben. Parteichef Xi Jinping weiß um die Brisanz. Seine Kampagne gegen die Korruption, seine Ankündigung, die letzten 70 Millionen Chinesen aus bitterster Armut zu holen, sind Teil seines Versprechens, die Kluft zu schließen. Doch sind Beobachter nach drei Jahren Amtszeit enttäuscht: Die Strukturreformen, die es dazu bräuchte, hat Xi bislang nicht angepackt, mächtige Interessengruppen nicht angerührt.

Nächste Woche treffen sich in Peking wieder die Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses und der Politischen Konsultativkonferenz zum jährlichen Plenum. Schon vor einem Jahr haben die Chinesen bei Umfragen vor den beiden Tagungen das Thema Wohlstandskluft auf Platz eins der drängendsten Themen gesetzt. Aber die KP hat die Milliardäre längst ins Parlament geholt. Die New York Times rechnete im letzten Jahr nach: Die 18 reichsten Pekinger Abgeordneten besaßen ein größeres Vermögen als alle 535 Mitglieder des US-Kongresses und das Kabinett von Präsident Barack Obama zusammen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2879836
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.02.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.