Süddeutsche Zeitung

Neujahrsfest in China:Kinder des Drachen

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In China beginnt ein Jahr unter besonders guten Vorzeichen. Millionen reisen nach Hause, und die Regierung hofft auf einen Babyboom.

Von Lea Sahay, Peking

Wer jetzt noch kein Ticket hat, muss befürchten, nicht mehr nach Hause zu kommen: Vom nächsten Samstag an feiern die Chinesen das Neujahrsfest, und die jährlich größte Völkerwanderung hat bereits begonnen. Rund 480 Millionen verkaufte Zugtickets, 80 Millionen Flugpassagiere und 7,2 Milliarden Autofahrten erwarten Chinas Transportbehörden in den kommenden Wochen - ein neuer Rekord. Gefeiert wird 15 Tage lang, die Chinesen kaufen erst viel, dann wenig. Fabriken stehen still, Häfen leeren sich. Der Februar ist traditionell ein schlechter Monat für den Welthandel.

2024 steht im Zeichen des Drachen. Anders als im Westen ist der chinesische Drache kein Feuer speiendes Biest, das erlegt werden muss, sondern eine wohlwollende Kreatur. Sie bringt Glück, Intelligenz, Güte und Reichtum, einst war sie Symbol des Kaiserthrons. "Kinder des Drachen" nennen sich die Chinesen.

Während die einen zügig nach Hause reisen, werden Schwangere es jetzt langsam angehen. Das Jahr des Drachen verspricht nicht nur Glück bei der Unternehmensgründung und Eheschließung, sondern gerade bei der Geburt. "Hoffentlich wird das Kind ein Drache" ist ein klassischer Geburtsgruß und bewirkt alle zwölf Jahre unter der chinesischstämmigen Bevölkerung in China, Taiwan, Singapur und Malaysia einen Babyboom. "Jetzt schwanger werden und im Jahr des Goldenen Drachens gebären", werben Kinderwunschkliniken.

Für Peking wären das gute Nachrichten. Chinas Geburtenzahlen sinken unaufhörlich, erst vor ein paar Tagen schockierte das Statistikamt mit neuen Zahlen: Demnach schrumpfte China das zweite Jahr in Folge, dieses Jahr sogar um zwei Millionen. Die Zahl der registrierten Sterbefälle lag bei elf Millionen, die Zahl der Geburten bei neun Millionen. 2016 waren es noch doppelt so viel. Bevölkerungsreichstes Land ist nicht mehr China, sondern Indien. Ein Problem für einen Staat, der seine Machtansprüche auch aus seiner Größe zieht.

Kinder zu haben, bedeutet in China hohe Kosten

Noch ist unklar, ob das Jahr des Drachen ausreicht, den Trend umzukehren. Chinas Wirtschaft steckt in der Krise, der Immobilienmarkt schwächelt, die Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten ist auf einem Rekordhoch. Derweil gilt China hinter Südkorea als das teuerste Land, um Kinder zu bekommen. Hohe Kosten für Wohnraum, Bildung und die Gesundheit belasten Paare. Nach jahrzehntelanger Ein-Kind-Politik, die auch vor Zwangsabtreibungen nicht zurückschreckte, haben sich Familien daran gewöhnt, dass sich das Leben nur um einen "kleinen König" dreht - so wie Chinas Einzelkinder genannt werden.

Am Neujahrsfest kann sich der Nachwuchs auf rote Umschläge freuen. Geldgeschenke, die Ältere der jungen Generation machen, bis diese heiraten. Traditionell versammeln sich Familienmitglieder am letzten Abend des alten Jahres, essen Teigtaschen und verlassen vor Mitternacht das Haus, um die Spuren des alten Jahres mitzunehmen. Die Fenster werden geöffnet, damit das neue Glück hereinkommt. Früher folgte Feuerwerk, inzwischen ist es in vielen Städten verboten, Raketen und Knallkörper abzubrennen. Ersetzt werden sie von umweltfreundlichen Drohnen-Shows. Am Himmel formieren sich die Fluggeräte dann, natürlich, zu tanzenden Drachen.

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