Abwertung des Yuan:Chinas Führung ist nervös
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Falls die Wirtschaft trotz der Abwertung des Yuan abstürzt, muss die Regierung in Peking um ihren Rückhalt im Volk bangen.
Kommentar von Kai Strittmatter
Als Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping im vergangenen November die Phase zu erklären versuchte, in die Chinas Wirtschaft gerade eintritt, da prägte er den Begriff von der "neuen Normalität". Neue Normalität klingt besser als "neue Nervosität". Dabei sind alle nervös: die Welt, China, die Investoren, die Partei. Die Goldgräbertage sind vorbei, ungewisse Zeiten stehen bevor.
Klar war, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen musste, nach drei Jahrzehnten oft zweistelligen Wachstums. Und doch scheint der Schreck nun groß zu sein. Weil noch gar nicht so klar ist, wie es weitergeht. Ob die Parteispitze wirklich Fortschritte macht auf dem Weg zu einer reformierten, nachhaltigen Wirtschaft, die von Innovation und Dienstleistungen angetrieben werden soll, einer Wirtschaft, die den Konsum als Treibstoff nimmt statt wie bislang die oft exzessiven Investitionen des Staates.
Peking versucht, Zuversicht zu verbreiten, es kann aber nicht verhindern, dass es zunehmend erscheint wie der einsame Rufer im Walde, der selbst erschrickt ob der Blitze, die um ihn herum zucken. So werden die Fragezeichen auch im Rest der Welt mit jeder neuen Überraschung aus Peking immer größer, egal ob die Staatsführung angesichts des Absturzes der Börse auf alle Regeln des freien Marktes pfeift, oder ob sie, wie nun geschehen, den Yuan abwertet nur kurz nach dem überraschend hohen Einbruch der Exporte.
Falls die Wirtschaft einbricht, droht eine nationalistische Welle
Egal ob die abrupte Yuan-Abwertung nun als Intervention zugunsten seiner Exportfirmen gedacht ist oder aber als Schritt hin zur Liberalisierung der Währung - der Schritt wird als weiteres Zeichen gesehen, dass Peking sich ernsthafte Sorgen um sein Wachstumsziel von sieben Prozent macht. Die KP braucht Wachstum. Für sie ist es ein großer Teil der Legitimierung ihrer Macht beim Volk.
Längst fordert die Nervosität ihren Preis: Xi Jinping ahnte früh, dass turbulente Jahre bevorstehen, auch deshalb haben unter ihm Repression und Zensur noch einmal kräftig zugelegt. Die KP hatte einen Deal mit der neuen Mittelschicht: Ihr haltet den Mund, dafür werdet Ihr wohlhabend. Jahrzehntelang erkaufte sie sich Schweigen und Duldung, mehr und mehr erzwingt sie nun beides wieder. Die Partei beugt vor. Mittlerweile sind die Ansprüche der Menschen gewachsen, wenn gleichzeitig die Wirtschaft zu stottern beginnt, ist das eine gefährliche Mischung. Und die Partei weiß um die gewaltigen Risiken, die in ihrer Volkswirtschaft noch schlummern. Bei brummenden Geschäften ließen die sich noch zukleistern, im Krisenfalle aber werden sie umso akuter: die enorme Verschuldung von Provinzen, Städten und Kommunen, der drohende Kapitalabfluss.
Auch im Westen werden sie nun wieder ein Stück nervöser, die VWs, BMWs und Apples, die sich mit Haut und Haar dem chinesischen Markt verschrieben haben. Mit gutem Grund. Nicht nur sie, sondern alle tun gut daran, genau darauf zu schauen, was sich in China tut. Die Partei hat sich nämlich neben der Wirtschaft noch ein zweites Standbein der Legitimation zugelegt: den Nationalismus.
Auch mit der Vision von der Wiedergeburt eines starken, mächtigen Chinas spielt Xi Jinping virtuos, am 3. September wird die Welt einen Geschmack davon bekommen, wenn Xi in Peking eine große Militärparade abnimmt, die die neue militärische Stärke Chinas demonstrieren soll. Nein, noch lange ist nicht ausgemacht, dass Chinas Wirtschaft ernsthaft abstürzt. Wachstumspotenzial gibt es zuhauf, Chancen auf Reformen viele. Sollte die Partei sie aber nicht nutzen, sollte der Absturz tatsächlich kommen, dürfen sich die Region und die Welt auf ein nationalistischeres und kampfeslustigeres Peking einstellen: Für die Partei ist das der Rettungsring.