Süddeutsche Zeitung

China:Balanceakt in Peking

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Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi besucht Peking und wirbt bei der Regierung um Investitionen, die einst ihre Hauptfeinde in Myanmar unterstützt hat.

Von Kai Strittmatter, Peking

Aung San Suu Kyi besucht China. Fünf Tage lang kann man in China seit Mittwoch den Wandel Suu Kyis von der Demokratieaktivistin zur Chefdiplomatin ihres Landes beobachten. Es ist ein Besuch nicht ohne historische Ironie: Die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 ist in Peking zu Gast bei jener Regierung, die in den zwei Jahrzehnten ihres Hausarrestes die international isolierte Junta von Myanmar unterstützte und finanzierte. Einer Regierung, die zudem den Friedensnobelpreisträger von 2010 - den Autoren Liu Xiaobo - noch immer im Gefängnis festhält. Und doch sind beide Seiten in nüchternem Kalkül entschlossen, einen Neuanfang des heiklen Verhältnisses zu versuchen. Eine "Ikone der Demokratie" möge Suu Kyi vielleicht für den Westen sein, schrieb Pekings Global Times am Mittwoch, für China jedoch sei sie schlicht "eine pragmatische Politikerin, die zum Wohle ihres Volkes die Kooperation mit China sucht".

Zu besprechen gibt es genug. Suu Kyi wünscht sich chinesische Investitionen und Entwicklungshilfe in Myanmar. China ist auch nach den holprigen vergangenen fünf Jahren noch immer der größte Investor und wichtigste Handelspartner für Myanmar. Ganz oben auf der Agenda steht das Schicksal eines 3,6 Milliarden-Dollar teuren chinesischen Großprojektes in Myanmar: der Myitsone-Staudamm, dessen Bau 2011 gestoppt wurde. Aber sie braucht Chinas Hilfe auch zur Befriedung des Nordens des Landes, wo ethnische Minderheiten und Milizen kämpfen: Einige der Gruppen haben Kontakte nach China. Die Regierung von Suu Kyis Nationaler Liga für Demokratie hat für den 31. August die meisten der verfeindeten Gruppen zu einem Friedensgipfel geladen. Drogen- und Menschenhandel über die gemeinsame Grenze sind ein weiterer Dauerbrenner.

Suu Kyi war vor einem Jahr schon einmal als Gast der KP Chinas in Peking, aber der Besuch diesmal ist ihr erster als offizielle Vertreterin der im April neu gewählten Regierung Myanmars und wird deshalb mit Spannung erwartet. Es ist ein diplomatischer Test für beide Seiten. Peking war im Jahr 2011 kalt erwischt worden von der Kehrtwende der Junta in Yangon: Damals verkündete die Militärregierung von Myanmar überraschend den Baustopp für den Myitsone-Staudamm und leitete eine Liberalisierung des Landes ein - dass Myanmar mit einem Mal Fühler nach Indien und zu den USA ausstreckte, war ein Schock für Peking. Myanmar ist strategisch wichtig für China, die chinesische Armee unterhält dort Abhörstationen Richtung Indien, vom Tiefseehafen Kyaukpyu sollen Pipelines Öl und Gas hoch nach China pumpen.

Jahrzehntelang hatte China Myanmar wie seinen Hinterhof behandelt. Peking finanzierte das Militär, lieferte Waffen, baute Straßen, Brücken und Häfen im Land - und nahm sich im Gegenzug das Recht heraus, Myanmars Rohstoffe und natürliche Ressourcen zu plündern. Kautschuk, Holz, Jade, Edelsteine: Alles was von Wert war, wurde abtransportiert. Die Entwaldung großer Teile Nordmyanmars sind eine Folge davon und einer der Gründe, dass China beim Volk in Myanmar einen schlechten Ruf hat. Das Misstrauen ist groß: Die Chinesen wickelten in der Vergangenheit ihre Geschäfte über die Köpfe der Bürger hinweg mit den korrupten Generälen ab, und brachten ihre Arbeiter für die Großprojekte stets mit. Ob, wie China hofft, der Myitsone-Großstaudamm noch eine Chance hat, ist unsicher. Aung San Suu Kyi war als Oppositionelle eine der schärfsten Kritikerinnen des Projekts. Grundsätzlich aber ist das Bemühen Pekings erkennbar, mit Suu Kyi als Fürsprecherin mit seinen Projekten auch Widerstände beim Volk von Myanmar zu überwinden.

Suu Kyi versucht einen Balanceakt: Die USA waren immer ein Verfechter einer Demokratisierung Myanmars, US-Präsident Barack Obama besuchte das Land bereits zwei Mal. Im Moment tröstet sich Chinas Staatspresse damit, dass Suu Kyi schon jetzt nach Peking und erst im September in die USA reist.

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SZ vom 18.08.2016
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