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Merz und der CDU-Vorsitz:Solotänzer werden nicht gewinnen

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Ein Teamspieler will er sein. Wirklich? Mit seinem seltsamen Vorpreschen im Hinblick auf die Kramp-Karrenbauer-Nachfolge an der CDU-Spitze hat Friedrich Merz erneut Misstrauen gesät.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Natürlich wird jetzt in der CDU auch getrickst und gerungen. Man beäugt sich, und im Zweifel wird hinter der Bühne heftig gestritten. Immerhin geht es in der größten Regierungspartei nicht nur um eine kleine Personalie. Es geht um die Macht bei den Christdemokraten - und aller Voraussicht nach auch um die Frage, wer die traditionsreiche Partei als Kanzlerkandidat in die nächste Wahl führt.

Aber auch ein solcher Kampf unterliegt Regeln der Fairness. Regeln sind wichtig, weil Aufrichtigkeit ein unverzichtbares Gut ist im Ringen um das Vertrauen von Partei und Wählerschaft. Wer das nicht versteht, sollte im Kampf um die CDU-Spitze gar nicht erst antreten.

Friedrich Merz, einer von drei wahrscheinlichen Kandidaten, hat sich seit jeher darüber geärgert, dass andere in der CDU ihm diese Vertrauenswürdigkeit absprechen. Er kann nachgerade zornig werden, wenn der Vorwurf auftaucht, er sei Einzelspieler und interessiere sich nur für die eigene Zukunft.

Nun aber hat er im Ringen um die besten Startchancen genau das gemacht: Er hat öffentlich erklärt, dass er absolut dafür sei, im Team nach einer möglichen Aufstellung zu suchen. Und er hat gesagt, dass er der Noch-Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer selbstverständlich die Organisation des Auswahlprozesses überlasse.

Gleichzeitig aber lancierte er nun vor dem Beginn jenes Prozesses, den AKK vom kommenden Montag an "von vorne" führen wollte und sollte, dass er antreten werde. Mit einer Aktion des persönlichen Ehrgeizes stellte er also seine zuvor gemachten Erklärungen wieder in Frage, auch er sei dafür, dass alles in Ruhe und gemeinsam besprochen werde.

Man kann das so machen, aber Merz sollte sich nicht wundern, wenn ihm alle anderen die schönen Worte, er sei ein Teamspieler, nicht mehr abnehmen. Mit seiner Botschaft nämlich ist klar, dass es, wenn die anderen nicht klein beigeben, automatisch zu einem neuen Wettstreit kommen wird. Das mag Merz bei den gegenwärtigen Umfragewerten clever erscheinen. Klug aber ist es nicht, diesen Schritt in einem Moment zu unternehmen, in dem viele in der Partei auf eine gemeinsam getroffene Lösung hoffen.

Die Mannschaft muss mitziehen

Wenn die CDU aus den vergangenen 15 Monaten eines gelernt haben sollte, dann doch die Tatsache, dass jede respektive jeder Parteivorsitzende nur dann echte Stärke entwickeln kann, wenn die eigene Mannschaft wirklich mitzieht. Und wenn Merz die Monate seit seiner überraschenden Rückkehr auf die politische Bühne Ende Oktober 2018 richtig lesen würde, dann müsste er wissen, dass gerade für ihn nichts wichtiger ist als der Kampf gegen das Misstrauen in den eigenen Reihen. Umso unverständlicher ist es, dass er beide Lehren so schwungvoll vom Tisch wischt.

Mag sein, dass die Episode um seinen in einzelnen Medien lancierten und in anderen Medien seltsam dementierten Sprung in die Kandidatur eine Petitesse bleibt im Kampf um die CDU-Spitze. Wahrscheinlicher aber ist, dass Friedrich Merz durch diese Aktion in den eigenen Reihen mehr Schaden genommen hat als ihm lieb ist. Will er tatsächlich noch eine Chance bekommen, Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat zu werden, muss er das Misstrauen bekämpfen, das er gerade wieder neu gesät hat.

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SZ vom 14.02.2020
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