Süddeutsche Zeitung

CDU in Nordrhein-Westfalen:Fehlstart in den Wahlkampf

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Im Mai will Ministerpräsident Rüttgers wiedergewählt werden. Doch in seiner nordrhein-westfälischen CDU sind drei Spitzenpolitiker in Affären verstrickt, darunter die Justizministerin.

J. Nitschmann

Fünf Monate vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl sind prominente Parteifreunde von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in veritable Affären verstrickt. Der Generalsekretär der NRW-CDU, Hendrik Wüst, musste eingestehen, jahrelang Zuschüsse zu seiner Krankenversicherung als Landtagsabgeordneter und Parteiangestellter doppelt kassiert zu haben.

Die Düsseldorfer Landtagspräsidentin Regina van Dinther (CDU) steht unter Beschuss, weil sie ihrem Parteifreund Wüst in dessen Gehaltsaffäre nach den Feststellungen der Opposition mit "falschen Fakten" und "missbräuchlichen Interpretationen" einen Persilschein ausgestellt hat. Und Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) ist in Verdacht geraten, die Opposition bei der Aufklärung des Ausbruchs zweier Schwerkrimineller aus dem Aachener Gefängnis gezielt getäuscht zu haben.

Als CDU-General Wüst am Freitag in Düsseldorf den Journalisten die landespolitische Großwetterlage erläuterte, setzte der schneidige Parteimanager ein reumütiges Gesicht auf. "Mir ist ein Fehler unterlaufen. Ich bedauere diesen Fehler. Keiner ärgert sich über diesen Fehler mehr als ich selbst." Nach einer Recherche-Anfrage des Magazins Focus hatte der CDU-Generalsekretär Ende November dieses Jahres einräumen müssen, er habe Zuschüsse zu seiner Kranken- und Pflegeversicherung seit 2006 als Landtagsabgeordneter und von der Landes-CDU doppelt kassiert.

Als Schuldeingeständnis überwies Wüst etwa 6000 Euro an die Parlamentskasse in Düsseldorf. Anfang dieser Woche gelangte ein Schreiben der Landtagsverwaltung an die Öffentlichkeit, in dem Wüst bereits am 23. Januar 2009 aufgefordert worden war, offenzulegen, ob er neben dem Landtag noch "von anderer Seite" Krankenkassen-Zuschüsse beziehe. Damit brach die Verteidigungslinie des CDU-Generals zusammen, er sei erst von Focus auf die Doppelbezuschussung aufmerksam gemacht geworden.

In dieser prekären Lage bekam Wüst Hilfe von Landtagspräsidentin van Dinther. Das Schreiben der Landtagsverwaltung im Januar dieses Jahres habe Wüst gar nicht gegolten, weil er privat krankenversichert sei. Die Aufforderung habe sich ausschließlich an die gesetzlich versicherten Abgeordneten gerichtet.

Mit dieser eigenwilligen Entlastung von Wüst ist die Landtagspräsidentin ins Zwielicht geraten. SPD-Landtagsvizepräsident Edgar Moron wirft van Dinther vor, ihren Parteifreund mit "sachlich falschen" Feststellungen reinwaschen zu wollen. Für SPD-Fraktionschefin Hannelore Kraft hat die Präsidentin "die gebotene Neutralität" verletzt. "Das empfinde ich als Zerstörung der politischen Kultur im Landtag."

Opposition sieht sich getäuscht

Um ihre Glaubwürdigkeit kämpft derzeit auch NRW-Justizministerin Müller-Piepenkötter. Die 59-jährige CDU-Frau hatte Freitag vergangener Woche im Rechtsausschuss des Landtags um einen vertraulichen Sitzungsteil gebeten. Dann unterrichtete sie die Abgeordneten darüber, dass der wegen Fluchthilfe beim Aachener Gefängnisausbruch verhaftete JVA-Beamte in weitere kriminelle Machenschaften verstrickt sei. Bereits zehn Tage vor dem spektakulären Ausbruch der Schwerkriminellen Michael Heckhoff und Peter Michalski sei der seit längerem unter Korruptionsverdacht stehende Beamte von Fahndern bei der Übergabe von 200 Euro durch Angehörige eines Häftlings observiert worden.

Die Ministerin deklarierte ihre atemberaubenden Informationen für die Abgeordneten als "geheime Verschluss-Sache", um laufende "schwierige Ermittlungen" nicht zu gefährden. Angeblich war von "einem großen Verfahren im Hintergrund" die Rede, von einem internationalen Drogenkartell, das ins Visier der Fahnder geraten sei. Doch davon will der Aachener Oberstaatsanwalt Robert Deller nichts wissen. Deller dementierte Darstellungen, der JVA-Beamte sei im Zuge von Ermittlungen gegen einen Drogenring als Köder eingesetzt und deshalb nicht vom Dienst suspendiert worden.

Jetzt fühlen sich Mitglieder des Rechtsausschusses von Müller-Piepenkötter getäuscht. "Die Ministerin hat dem Landtag tagelang die wahren Umstände der Flucht verheimlicht", sagt der SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger. Es bleibe "das Geheimnis von Frau Müller-Piepenkötter", warum der wegen des Verdachts der Bestechlichkeit observierte JVA-Beamte "nicht wenigstens versetzt wurde, sondern stattdessen seinen Dienst im sensibelsten Sicherheitsbereich unbehelligt fortführen konnte." Die rechtspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Monika Düker, schrieb der Ministerin am Freitag, bei ihr komme "der Verdacht auf, dass es sich bei der Begründung der Vertraulichkeit um ein taktisch motiviertes Manöver handelt, um zu diesen Fragen nicht öffentlich Stellung beziehen zu müssen."

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SZ vom 12.12.2009
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