Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr in Afghanistan:Justiz will gegen Oberst Klein ermitteln

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Konsequenz aus dem verheerenden Luftangriff auf die von Taliban entführten Tanklastzüge in Afghanistan: Gegen den zuständigen Kommandeur Klein soll ermittelt werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden wird voraussichtlich an diesem Freitag ein Ermittlungsverfahren gegen den Bundeswehr-Oberst Georg Klein einleiten. Klein hatte am 4. September im nordafghanischen Kundus die Bombardierung zweier von Taliban entführter Tanklastwagen befohlen. Bei dem Luftschlag wurden eine nicht mehr festzustellende Zahl von Taliban und Zivilisten getötet. Aus Sicht der Generalstaatsanwaltschaft besteht offenbar der Anfangsverdacht auf fahrlässige Tötung oder Totschlag.

Ebenfalls am Freitag will Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen seine Sicht des Falles erläutern. Die Fraktionschefs können seit Montag in der Geheimschutzstelle des Bundestages den 575 Seiten starken Geheimbericht der Afghanistan-Schutztruppe Isaf über den Vorfall einsehen. Der Verteidigungsexperte der SPD, Rainer Arnold, sagte, er erwarte von dem Treffen am Freitag eine "klare und ehrliche Bewertung der Versäumnisse und Fehler ohne Beschönigungen". Ihm sei unverständlich, wie Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zu seiner Einschätzung komme, der von Klein befohlene Angriff sei militärisch angemessen gewesen, sagte Arnold weiter.

In der Umgebung Guttenbergs wurden am Donnerstag Meldungen zurückgewiesen, denen zufolge sich der Minister von dieser Bewertung des Generalinspekteurs distanzieren wolle. Der Minister werde die Vorgänge aber differenzierter und mit mehr Details darstellen, hieß es.

Mit der Vorprüfung des Falles beschäftigen sich seit Wochen zwei Staatsanwälte, die zur Integrierten Ermittlungseinheit Sachsens (Ines) gehören. Ines ist beim Dresdner Generalstaatsanwalt angesiedelt und kann auf alle heiklen Verfahren im Freistaat zugreifen. Vom Ergebnis ihrer Prüfung hängt ab, ob gegen Klein, der inzwischen turnusgemäß wieder auf seinen Posten als Chef des Stabes der 13. Panzergrenadierdivision in Leipzig zurückgekehrt ist, ein Verfahren eingeleitet wird.

Nach Angaben deutscher Verteidigungsexperten, die mit Teilen des Berichts vertraut sind, weist die Nato auf Fehler in der deutschen Operationsführung hin. So soll Klein Einsatzregeln der Isaf für die Anforderung von sogenannter Luftnahunterstützung nicht eingehalten haben. Zu diesen Regeln gehört, dass eigene Truppen entweder direkte Feindberührung haben müssen oder ein Angriff unmittelbar bevorstehen könnte. Auch müssten Isaf-Flugzeuge versuchen, durch Überflüge potentielle Gegner zum Rückzug zu veranlassen. Alle drei Voraussetzungen waren, so weit bekannt, im Fall des Angriffs auf die Tanklaster nicht erfüllt.

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens würde Ines auch Militärexperten als Gutachter einschalten. Die Ermittlungen in solchen Fällen sind kompliziert. So hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder monatelang gegen einen Oberfeldwebel ermittelt, der im August vorigen Jahres an einem Checkpoint in Afghanistan drei Zivilisten getötet hatte.

Die Staatsanwaltschaft musste unter anderem klären, ob sich der Beschuldigte glaubhaft bedroht fühlte, und ob er die Situation falsch eingeschätzt hat. Nach umfangreichen Ermittlungen war das Verfahren eingestellt worden. Ob es in dem Verfahren gegen Klein zum Prozess kommen wird, lässt sich derzeit nicht prognostizieren.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2009
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