Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr-Einsatz:Steinmeier: Abzug aus Afghanistan bis 2019

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SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier rechnet mit einem Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan in weniger als zehn Jahren. Derweil ist in dem Krisenland die Präsidentschaftswahl angelaufen. Beobachter befürchten Manipulationen, in Kandahar und Kundus schlugen Raketen ein.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier geht davon aus, dass die Bundeswehr bis 2019 aus Afghanistan abgezogen sein wird. "Ich rechne nicht damit, dass wir noch zehn Jahre oder länger in Afghanistan militärisch präsent sein werden", sagte der SPD-Kanzlerkandidat der Leipziger Volkszeitung.

Wie lange die Bundeswehr bleibe, "hängt auch daran, wie schnell wir bei der Ausbildung und Ausstattung von afghanischer Armee und Polizei vorangehen", sagte er weiter. "Je schneller wir da vorankommen, desto eher werden wir unsere Präsenz zurückfahren können."

Im Zusammenhang mit der Wahl sprach Steinmeier von einer sehr gründlichen Vorbereitung, "auch mit Blick auf die Gefährdungslage und trotz der Tatsache, dass deshalb in rund zehn Prozent des afghanischen Gebietes keine Wahlurnen stehen".

Die Bundeswehr sei aus zwei Gründen in Afghanistan: "Erstens, um sicherzustellen, dass Afghanistan nicht wieder Rückzugsgebiet für weltweiten Terrorismus wird. Zweitens, um die Afghanen in die Lage zu versetzen, ihre Demokratie selbst zu beschützen."

In Afghanistan werden an diesem Donnerstag zum zweiten Mal seit dem Sturz der radikalislamischen Taliban vor acht Jahren Präsidentenwahlen abgehalten.

Bundeswehr rechnet mit hoher Wahlbeteiligung

Der Urnengang hatte am Morgen unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen begonnen. 300.000 Sicherheitskräfte, darunter 100.000 ausländische Soldaten, sollen die etwa 6500 Wahllokale absichern. Die Taliban haben zum Wahlboykott aufgerufen und mit Anschlägen gedroht.

Die Wahllokale öffneten um 7 Uhr (4.30 MESZ). Als einer der ersten Wähler gab Präsident Hamid Karsai in der Hauptstadt Kabul seine Stimme ab.

Er appellierte an seine Landsleute, wählen zu gehen: "Ich fordere die Afghanen auf, aus den Häusern zu kommen und zu wählen, damit Afghanistan durch ihre Stimme sicherer und friedlicher wird", sagte Karsai.´

Er gilt als Favorit für eine zweite Amtszeit. Sein wichtigster Herausforderer ist der frühere Außenminister Abdullah Abdullah, der ihn in eine Stichwahl zwingen könnte. Anders als bei der letzten Präsidentenwahl 2004 bildeten sich in Kabul jedoch zunächst noch keine langen Schlangen vor den Wahllokalen.

Die Bundeswehr im Norden Afghanistan rechnet trotz der angespannten Sicherheitslage mit einer hohen Wahlbeteiligung. Die ihm bekannten Umfragen für die Region Kundus schwankten zwischen 40 und 60 Prozent, sagte der Kommandeur des zivil-militärischen Wiederaufbauteams in Kundus, Georg Klein, der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Mundkorb für die Medien

Der Urnengang wurde am Donnerstag von zunehmender Gewalt im ganzen Land und Drohungen der radikalislamischen Taliban überschattet. In den Tagen vor der Präsidentenwahl war die Zahl der Anschläge massiv gestiegen - von durchschnittlich 32 auf 48 pro Tag, wie ein Sprecher der Nato-Schutztruppe sagte.

In der südafghanischen Stadt Kandahar gingen kurz vor Öffnung der Wahllokale mehrere kleine Raketen nieder, wie Provinzgouverneur Turjalai Wesa nach der Abgabe seiner Stimme berichtete. Sicherheitskreisen zufolge wurden vier Menschen verletzt.

Kurz nach Beginn der Wahl schlug eine Rakete in einem Wahllokal im nordafghanischen Bundeswehr-Standort Kundus ein. Eine zweite Rakete sei hinter der Schule detoniert, die als Wahllokal genutzt wird, sagte der Sprecher des Provinz-Gouverneurs.

In der umkämpften Provinz Helmand im Süden sollten nach Behördenangaben auch 107 von 242 Wahllokale aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben. Über Kabul kreisten am Donnerstag permanent Hubschrauber. Büros und Geschäfte blieben geschlossen.

Zwei Frauen unter 30 Kandidaten

Die Rebellen erklärten, sie hätten 20 Selbstmordattentäter nach Kabul eingeschleust. Außerdem würden sie Straßen im ganzen Land blockieren. Die Regierung wandte sich daher mit einem höchst umstrittenen Appell an die Medien: Zwischen 6 Uhr und 17 Uhr solle am Wahltag möglichst nicht über Gewalttaten berichtet werden.

Nach Angaben der Unabhängigen Wahlkommission haben sich 17 Millionen Afghanen als Wähler registrieren lassen. Wahlbeobachter halten diese Zahl aber für zu hoch. Sie befürchten Wahlmanipulationen.

30 Kandidaten treten an, darunter zwei Frauen. Elf der ursprünglich 41 Bewerber für das Amt haben ihre Kandidatur zurückgezogen, die meisten davon zugunsten des 52-jährigen Präsidenten. Die Auszählung der Stimmen beginnt nach Schließung der rund 29.000 Wahllokale um 16 Uhr (13.30 Uhr MESZ). Erste inoffizielle Ergebnisse werden in den kommenden Tagen erwartet.

Am 17. September sollen nach Angaben der Wahlkommission die Endergebnisse der Präsidentschafts- und der parallel stattfindenden Provinzratswahlen vorliegen. Sollte keiner der Bewerber um das Präsidentenamt eine absolute Mehrheit erzielen, kommt es nach derzeitiger Planung Anfang Oktober zu einem weiteren Wahldurchgang. Dann treten nur noch der Spitzenreiter und der Zweitplatzierte an.

US-Bürger zweifeln am Einsatz ihrer Truppen

Trotz der Gewalt rief UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Afghanen dazu auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Mit der Beteiligung an dem Urnengang würden die Afghanen helfen, die demokratischen Institutionen zu stärken, und neue Kraft ins politische Leben ihres Landes bringen, erklärte Ban.

Bei den US-Bürgern sind indes die Zweifel am Einsatz ihrer Truppen in Afghanistan gestiegen. In einer Umfrage sagten 51 Prozent der Teilnehmer, der Kampf der US-Armee am Hindukusch lohne sich nicht. Nur 47 Prozent der Befragten befürworteten die Mission. Im Juli hatte sich noch eine knappe Mehrheit für den seit 2001 geführten Einsatz ausgesprochen. Eine weitere Aufstockung der US-Truppen unterstützen nur 27 Prozent der Befragten , 45 Prozent würden die Zahl der Soldaten lieber verringern.

Die Afghanistan-Politik von Präsident Barack Obama hießen immerhin 60 Prozent für gut. Eine große Mehrheit von 64 Prozent der Befragten bezweifelte aber, dass aus der Wahl eine effektive Regierung für Afghanistan hervorgehen würde. Befragt wurden im Auftrag der Washington Post und des Senders ABC News.

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