Süddeutsche Zeitung

Karlsruhe:Betriebsrente muss fair geteilt werden

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Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich mit dem Versorgungsausgleich bei Scheidungen und stärkt die Position von vielen Frauen - vor allem, wenn sie lange verheiratet waren.

Von Camilla Kohrs und Henrike Roßbach, Berlin, Berlin/München

Wenn bei einer Scheidung Betriebsrentenansprüche aufgeteilt werden, kommen die Frauen oft nicht gut weg. Dieser Benachteiligung hat das Bundesverfassungsgericht nun aber Grenzen gesetzt. Konkret geht es um die sogenannte externe Teilung von Betriebsrenten. Lässt ein Paar sich scheiden, wird nämlich nicht nur der Besitz aufgeteilt, sondern auch die Rentenansprüche. Der Grund: Wenn in einer Ehe vorwiegend der Mann berufstätig war und die Frau sich um Haushalt und Kinder gekümmert hat, soll sie im Alter nicht vor dem Nichts stehen.

Bei Betriebsrenten allerdings gibt es häufig ein Problem - und genau darum ging es am Dienstag in Karlsruhe. Denn während die Ex-Frauen (es sind meistens Frauen) bei allen anderen Rentenansprüche ihren Anteil direkt vom jeweiligen Versorgungsträger bekommen, können die Träger von Betriebsrenten die Ansprüche auf andere Träger übertragen - auch gegen den Willen der Frauen. Der Grund ist, dass Arbeitgeber nicht gezwungen sein sollen, betriebsfremde Ehefrauen in ihr Versorgungssystem aufzunehmen. Wegen der in den vergangenen Jahren stark gesunkenen Zinsen kann die Übertragung für die Frauen jedoch mit erheblichen Verlusten einhergehen, was an der komplizierten Berechnung ihrer Betriebsrentenanteile liegt. Grob gesagt kommt nicht die komplette Betriebsrentenhälfte bei der Ex-Frau an. Bei der Übertragung, etwa vom Träger einer betrieblichen Rente auf einen Riesterträger, können mehrere hundert Euro im Monat verloren gehen, wenn der neue Träger die Rente zum heutigen, niedrigeren Zinssatz verzinst.

Die externe Teilung an sich halten die Richter zwar nicht für verfassungswidrig. Allerdings legten sie in ihrem Urteil fest, dass die Familiengerichte künftig allzu große Transferverluste verhindern müssen. Die "ausgleichsberechtigte Person" dürfe durch die externe Teilung "keine unangemessene Verringerung ihrer Versorgungsleistungen" zu erwarten haben. Ein Transferverlust von mehr als zehn Prozent könnte demnach als unangemessen gelten. Die Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht hatte das Oberlandesgericht Hamm angestoßen, das Paragraf 17 des Versorgungsausgleichsgesetzes für verfassungswidrig hielt.

"Wir freuen uns über das Urteil", sagte der Marburger Rechtsanwalt für Familienrecht, Klaus Weil, am Dienstag. Er hatte den Prozess für den Deutschen Anwaltverein begleitet. "Dass aber die Auslegung den Familiengerichten übertragen wurde, wird schwierig", fügte er hinzu. Die Korrektur der geteilten Rente erfordere viel Know-How, so Weil, sowohl bei den Gerichten als auch bei den Anwälten. Weil fürchtet deshalb, dass Frauen, die vor Gericht schlecht vertreten werden, von der neuen Regelung am Ende nicht viel haben könnten.

Davon abgesehen aber sei es für die Berechtigten ein klarer Sieg. Den geschiedenen Frauen seien teilweise 400 bis 600 Euro monatlich an Rente verloren gegangen. Weil schätzt die Zahl derjenigen, die das Urteil aus Karlsruhe betreffen könnte, auf etwa 50 000. Genaue Zahlen gibt es jedoch nicht. Generell dürften vor allem Frauen profitieren, die lange verheiratete waren.

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SZ vom 27.05.2020
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