Süddeutsche Zeitung

Bundesverdienstkreuz:Engel namens Draghi

Die Diskussion über einen Orden für Mario Draghi führt in die Irre.

Von Detlef Esslinger

Mario Draghi, der langjährige EZB-Präsident, soll am Freitag das Bundesverdienstkreuz bekommen. Mehrere Politiker der Union kritisieren dies mit dem Hinweis, Draghi habe mit seiner Zinspolitik "den deutschen Sparern" schwer geschadet, dafür habe er keinen Orden verdient. Die Frage ist: Wie sehen die deutschen Kreditnehmer das? Ihnen haben Draghis Niedrigstzinsen schwer genutzt. Darüber hinaus gibt es Deutsche, die Sparer und Kreditnehmer sind. Bei denen gleicht sich's wieder aus; wie übrigens so oft im Leben.

Der Sparer ist ein Wesen ähnlich dem Verbraucher, Steuerzahler oder Autofahrer. Es begegnet einem permanent, weniger im richtigen Leben, doch als rhetorische Figur - die dann ihre Dienste leisten muss, wenn ein Redner zur Stärkung seines meist nicht allerbesten Arguments irgendeine Gesamtheit konstruieren will. Mithilfe des Autofahrers hat sich der ADAC lange angemaßt, gegen ein Tempolimit zu sein. Dass die meisten Autofahrer weniger wegen Verkehrspolitik, sondern eher wegen Schutzbrief & Gelber Engel in dem Klub sind, blieb ihm stets egal.

Mario Draghi war jahrelang der Gelbe Engel der Kreditnehmer. Vorschlag zur Güte: Zu deren Ehren soll er morgens den Orden gerne tragen. Aus Respekt vor den Sparern kann er ihn dann ja mittags wieder ablegen

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SZ vom 28.01.2020
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