Süddeutsche Zeitung

Bundestag:Ein Jahr für Aufklärung

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Der Untersuchungsausschuss zum Debakel um die Pkw-Maut ist gestartet. Schon allein die Sitzordnung sorgte dabei für Diskussionen.

Von Markus Balser, Berlin

Ein halbes Jahr nach dem Scheitern der Pkw-Maut beginnt die Aufarbeitung des Debakels in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) eröffnete am Donnerstag hinter verschlossenen Türen die konstituierende Sitzung. Zum Auftakt forderten die Fraktionen zentrale Akten und Beweismittel aus Ministerien und Behörden an. Die Vernehmung von Gutachtern und Fachleuten des Bundesrechnungshofs beginnt Mitte Januar. Ab Februar sollen Zeugen aus den Ministerien und der vorgesehenen Betreiber aussagen. Der Ausschuss wird mindestens bis Ende 2020 arbeiten. Auch der zuständige Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) soll kommendes Jahr aussagen.

Zum Start warf die Opposition Scheuer schwere Fehler vor. Er soll Verträge zur Umsetzung der Maut voreilig abgeschlossen und riskante Regelungen zum Schadenersatz vereinbart haben. Laut Insidern drohen Schadenersatzforderungen von bis zu einer halben Milliarde Euro. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, Scheuer habe die Verfassung gebrochen und das Parlament belogen. Der verkehrspolitische Sprecher der FDP, Oliver Luksic, will klären, ob Scheuer die Pkw-Maut zu Wahlkampfzwecken unter viel zu großen Risiken für den Steuerzahler einführen wollte. Es gehe um schwere Vorwürfe, sagte auch die SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann. Der CSU-Abgeordnete Ulrich Lange warnte vor Vorverurteilungen. Scheuer selbst weist die Vorwürfe zurück.

Als Scheuer 2018 Verkehrsminister wurde, trieb er den Start der Maut voran. Sein Ziel: die Einführung im Oktober 2020. Doch der Europäische Gerichtshof erklärte die Maut im Juni 2019 für rechtswidrig, weil sie Ausländer diskriminiere. Scheuer steht nun unter enormem Druck, weil er die Verträge mit den Betreibern schon Ende 2018 abschloss - lange bevor Klarheit bestand, ob er das Projekt umsetzen darf. Der Bundesrechnungshof warf ihm zuletzt vor, Haushalts- und Vergaberecht gebrochen zu haben. Scheuer soll zudem den vom Bundestag gesetzten Finanzrahmen von zwei Milliarden Euro gesprengt haben.

Um wie viel es geht, machten schon Diskussionen der ersten Sitzung klar. Laut Insidern wurde selbst über Formalitäten wie die Sitzordnung gerungen. Grüne, FDP und Linke würden gerne zusammen auf der einen Seite des Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) sitzen und so deutlich machen, dass sie gemeinsam die Arbeit der großen Koalition auf der anderen Seite unter die Lupe nehmen. Die SPD wolle aber offenbar nicht gerne mit der Union auf der Verteidigerseite Scheuers sitzen, hieß es aus der Opposition. Die großen Fraktionen saßen am Donnerstag rechts und links neben dem Vorsitzenden, die kleineren Oppositionsfraktionen daneben. Eine Lösung soll in den nächsten Tagen folgen.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2019
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