Süddeutsche Zeitung

Deutscher Bundestag:Wenn Riesen Lego spielen

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Weil dem neuen Bundestag so viele Abgeordnete angehören wie nie zuvor, mussten neuen Büros geschaffen werden. In Berlin-Mitte ist nun der "Luisenblock West" fertiggestellt - ein kunterbunter Modulbau, der allerlei Assoziationen weckt.

Von Boris Herrmann, Berlin

Am 26. September begann für Isabel Cademartori ein neues Leben: Die 34-jährige SPD-Politikerin aus Mannheim wurde erstmals in den Deutschen Bundestag gewählt. Nun, knapp fünf Monate später, hat sie aber das Gefühl, dass dieses Leben ein zweites Mal beginnt. Sie kann endlich ihr Abgeordnetenbüro beziehen. "Bin froh, dass es richtig losgeht", sagt Cademartori.

Der Bundestag wächst stetig und scheinbar unaufhaltsam. Nach einer Wahlrechtsreform, die diesen Namen kaum verdient, hat er zuletzt den neuen Rekordwert von 736 Abgeordneten erreicht. Das führt zu immensen Raumnöten, nutzt aber immerhin der Bauwirtschaft. Soeben wurde in Berlin-Mitte der "Luisenblock West" fertiggestellt, ein kunterbunter Modulbau, der von außen aussieht, als hätten Riesen Lego gespielt. Mit seinen 400 Büros kann er das Platzproblem des Bundestags zwar nicht grundsätzlich lösen, aber immerhin kurzfristig lindern.

Cademartori gehört zu einem ersten Schwung von Abgeordneten, die hier mit ihren Mitarbeitern einziehen. Zur feierlichen Inbetriebnahme des Baus bekam sie am Freitagmorgen vom Vorsitzenden der Bau- und Raumkommission, Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), einen Blumentopf geschenkt. Jetzt hat sie sogar einen festen Schreibtisch, den sie damit schmücken kann.

"Zuletzt war es ein bisschen eng."

In ihren ersten fünf Monaten als Parlamentarierin arbeitete Cademartori in einer Art MdB-WG. Sie teilte sich ein "Übergangsbüro" mit ihrem SPD-Kollegen Parsa Marvi. Weil beide neu in Berlin sind und ihre Mitarbeiter erst noch einstellen mussten, fanden sie das anfangs gar nicht so schlimm. Aber irgendwann waren sie dann zu siebt in diesem improvisierten Co-Working-Space. "Zuletzt war es ein bisschen eng", räumt Cademartori ein.

Dafür hat sie nun umso mehr Platz. Abgeordneten stehen eigentlich drei "Raumeinheiten" zu je 18 Quadratmetern zu. Cademartori sagt mit einem seligem Lächeln: "Die haben mir vier Räume angeboten, dafür dass ich hierher ziehe." Offenbar bedurfte es solcherlei Bestechungsversuche, um Abgeordnete in diesen Neubau zu locken, denn sein Ruf war schon lange vor dem Richtfest ruiniert.

Dänischer Landhaus-Charme

Kubicki macht dafür unzweideutig den ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) verantwortlich. Der habe 2019 nämlich den Bau von "Bürocontainern" angekündigt, um die wachsende Zahl an Abgeordneten zu beherbergen. Offenbar, so Kubicki, als Druckmittel, um die Fraktionen zu einer wirkungsvollen Wahlrechtsreform zu zwingen. Das hat jedenfalls nicht geklappt. Geblieben ist das Gerücht, der Bundestag wolle seine MdBs in Container stecken.

Die neuen Büros versprühen mit ihren geweißelten Holzwänden eher dänischen Landhaus-Charme. Noch besser gefallen Cademartori aber die Teppichböden in kräftigem SPD-Rot. Sie vermutet, dass "der Herr Kubicki" da wohl gefehlt habe bei der entscheidenden Teppichsitzung.

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