Süddeutsche Zeitung

Brandenburg vor der Landtagswahl:Reich mir mal das Babben-Bier

Lesezeit: 3 min

Sand, Sanssouci und Rentner auf Holzbooten im Spreewald: Brandenburg hat viel zu bieten - man muss es nur finden, denn im Schwimmring Berlins leben auf sehr viel Platz nur wenige Menschen. Eine Spurensuche.

Von Felix Hütten

Am 14. September haben die Brandenburger einen neuen Landtag gewählt. Höchste Zeit, sich dort mal umzusehen. Denn Brandenburg ist viel mehr, als nur der Schwimmring um Berlin.

Brandenburg ist DDR-Erinnerung

In Bernau bei Berlin - auf märkischem, rotem Sand gebaut - können Besucher die berühmte Waldsiedlung Wandlitz erkunden. Abgeschottet hinter Bäumen und Zäunen führte die Parteiführung der SED ein Leben, von dem die Bevölkerung nur träumen konnte: Mit eigenem Schwimmbad und einem Laden, in dem es Westprodukte zu kaufen gab. 50 000 Besucher im Jahr erkunden die ehemalige Wohnsiedlung, in der einst auch das Ehepaar Honecker lebte. Ein Besuch des Anwesens ist eine kleine Zeitreise in das geteilte Deutschland.

Ein weiteres Relikt der Geschichte liegt versteckt im brandenburgischen Wald. In der Kaserne Vogelsang lebten bis zum Jahr 1994 Zehntausende sowjetische Soldaten in einer eigenen Stadt. In den Hallen lagerten Waffen, Munition und Granaten der 25. Panzerdivision. Heute verfällt der Ort und ist ein beliebtes Ziel für Hobbyfotografen.

Brandenburg ist Wald

Etwa ein Drittel Brandenburgs ist Wald, überall stehen Bäume, soweit das Auge reicht. Sogar Wölfe wurden in den Wäldern gesichtet.

In den vergangenen Jahren wurde brandenburgischer Wald zur Geldanlage, viele Bieter kommen aus Süddeutschland. Dem Tagesspiegel zufolge kostete ein Hektar Forst vor der Wende umgerechnet 1000 bis 1500 Euro. Heute zahlen Käufer im Schnitt 3000 bis 5000 Euro, die meisten Bieter kommen aus Süddeutschland. Im Landtagswahlkampf fordern beinahe alle Parteien, dieser Entwicklung entgegen zu steuern und öffentliche Wälder nur noch selten zu verkaufen.

Brandenburg ist Mark

Ein beliebter Schulwitz in Berlin geht so: "Herr Lehrer, wer war eigentlich Mark Brandenburg?" Die Mark Brandenburg war eine Markgrafschaft des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und erstreckte sich von der Altmark nördlich von Magdeburg über die Uckermark bis ins heutige Polen. Einer der berühmtesten Liebhaber der Mark Brandenburg war der Schriftsteller Theodor Fontane, der auf ausgiebigen Spaziergängen die Gegend erkundete. Heute wird die Mark oft gleichgesetzt mit dem Land Brandenburg, was nicht ganz richtig ist. Die südlichen Teile Brandenburgs zählen strenggenommen nicht zur Mark - sind aber genauso schön.

Brandenburg ist Berlins Meer

Es ist heiß im Sommer in Berlin. Deswegen sind Brandenburgs Seen voll. Egal wo. Egal wann. Denn sie sind wunderschön: klares, kühles Wasser, umgeben von einer atemberaubenden Landschaft. Kein Geheimtipp, aber einen Ausflug wert ist der Wandlitzsee bei Berlin.

Sogar eine Düne hat Brandenburg zu bieten, wenn auch ohne Meer in der Nähe. Die Binnendüne Waltersberge ist im Naturpark Dahme-Heideseen zu sehen. Seltene Gräser und Inseketen leben hier im brandenburgischen Sand, ein Naturlehrpfad informiert Besucher.

Brandenburg ist Barock

In Potsdam bestaunen jedes Jahr Tausende Besucher das Schloss Sanssouci. Der preußische König Friedrich II ließ 1745 das Sommerschloss im Park westlich der Innenstadt errichten. Friedrich Wilhelm IV baute 1841 zwei Seitenflügel an das Schloss, das seit 1990 Unesco-Weltkulturerbe ist. In dem fürstlichen Park kann man ausgedehnte Spaziergänge machen, unter hohen Eichen lesen oder Fahrradfahren - eine gute Alternative, wenn Brandenburgs Badeseen mal wieder überfüllt sind.

Brandenburg isst Gurke

Wer in Brandenburg einzigartige Natur und singende Rentner in bierseliger Stimmung auf Holzbooten erleben will, muss sich im Spreewald ein Kanu leihen. Die eingelegten Gurken mit dem gleichnamigen Namen haben den Spreewald berühmt gemacht - und sind nicht nur bei Ostalgikern beliebt: Tatsächlich gibt es nach einem langen Kanutag fast nichts Besseres als ein paar Gurken und ein Babben-Bier zum Abendessen. Dieses wird seit Jahrhunderten in Lübbenau gebraut und trägt den Namen des Braumeisters.

Wer auf's Kanufahren, aber nicht auf Gurken verzichten möchte, dem sei der Gurken-Radweg empfohlen. 250 Kilometer führen vorbei an sehenswerten Orten wie Lübben oder Cottbus.

Brandenburg ist ausgebrannt

2,5 Millionen Menschen leben in Brandenburg. Und das auf einer Fläche von 30 000 Quadratkilometern. Das bedeutet viel Platz, auf einen Quadratkilometer kommen gerade mal 83 Bewohner. In Nordrhein-Westfalen leben 515 Menschen auf einem Quadratkilometer.

Rainald Grebe, Kabarettist und musikalischer Ostdeutschlandexperte, hat der einsamen Tristess in Brandenburg ein ganzes Lied gewidmet:

"... Wenn man Bisamratten im Freibad sieht, dann ist man im Naturschutzgebiet 'Mark Brandenburg', Brandenburg. Ich fühl' mich heut' so ausgebrandenburgt. In Berlin kann man so viel erleben, in Brandenburg soll es wieder Wölfe geben, Brandenburg ..."

Aber seien Sie beruhigt: Ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Und sogar die Brandenburger finden den Song lustig.

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