Süddeutsche Zeitung

Bonn:Danke Bonn, aber deine Zeit ist vorbei

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Ministerien immer noch am Rhein zu halten, ist sinnlos. Die Regierung sollte endlich komplett nach Berlin umziehen. Bonn braucht deswegen nicht beleidigt zu sein.

Kommentar von Bernd Dörries

Es gibt in Bonn eine U-Bahn-Haltestelle Auswärtiges Amt, auf dem Ortsschild steht Bundesstadt, und auch die Bundespressekonferenz hat hier noch eine Außenstelle, auch wenn es kaum noch Pressekonferenzen gibt, weil alles in Berlin entschieden und kommentiert wird. Bonn spielt noch ein wenig Hauptstadt, ist es aber schon längst nicht mehr.

Die Diskussion über Bonn ist so alt wie die Wiedervereinigung. Zuerst wurde darüber gestritten, ob die Regierung nach Berlin soll, dann darüber, wie viele Beamte in Bonn bleiben sollen. Es ist sehr viel Aufmerksamkeit für eine Stadt von 320 000 Einwohnern, die durch eine historische Sonderkonstellation Hauptstadt wurde, nun aber so tut, als habe sie ein Anrecht darauf, das ungefähr aus der Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation datiert.

Seit einem Vierteljahrhundert wird über den Status Bonns debattiert, es ist Zeit, diese Diskussion endlich zu beenden, den Regierungsumzug zu vollenden, alle Häuser komplett nach Berlin zu verlegen. Auch wenn die Rheinländer zetern und schreien, sie werden nicht die Verlierer sein. Sie waren es bisher ja auch nicht. Bonn hat mehr Mitarbeiter in Bundesbehörden als vor dem Umzug, es hat die Vereinten Nationen, es hat die Telekom und die Bundeskunsthalle.

Bonn hatte das Glück, Hauptstadt der Bundesrepublik zu werden, und es hatte das Glück, beim unumgänglichen Umzug nach Berlin so reich beschenkt zu werden, dass es nun noch einmal besser dasteht als zuvor. Man kann es als großzügigen Dank dafür verstehen, dass die Bonner ihren Beitrag geleistet haben zu einer Republik, die ihren Namen trägt. Damit ist es dann aber auch mal gut.

Es ergibt keinen Sinn, Ministerien immer noch am Rhein zu halten

Der Umzug wird kommen, den muss gar nicht der Bundestag beschließen, den beschließt die Wirklichkeit. In zwanzig Jahren werden alle Bonner Beamten in Rente sein, Neueinstellungen gehen zu drei Viertel nach Berlin. Man muss kein großer Mathematiker sein, um sich auszurechnen, dass Bonn nicht mehr viele Jahre bleiben.

Die Frage ist, wie die Region damit umgeht. Bisher ist sie vor allem beleidigt. Dabei kann sie aus der jetzigen Situation durchaus Kapital schlagen. Die Berlin- und Bonn-Beauftragte Barbara Hendricks hat den Rheinländern dieser Tage signalisiert: Wäre es nicht besser, jetzt zu einer Verhandlungslösung zu kommen, die die Realität anerkennt (den Exodus der Beamten)? Und bei der für Bonn noch etwas herausspringt, ein paar neue Behörden vielleicht? Die Verhandlungsposition wird mit den Jahren nicht besser werden, die Nostalgiker, die selbst noch am Rhein regiert haben, sie werden nicht mehr.

Es kann aber auch nicht immer um Bonn gehen, das durch die Geschenke der Geschichte und die Kompensationen des Umzugs zur reichsten Stadt Nordrhein-Westfalens wurde. Bei der Hauptstadtfrage geht es auch darum, die Zwangstrennung der Ministerien zu beenden. Man soll die Mitarbeiter in Bonn nicht beleidigen, sie tun sicher gewissenhaft ihre Arbeit. Es ist aber nicht gesund für das Klima und die Effizienz einer Behörde, wenn die Jungen und Ambitionierten alle nach Berlin gehen und die Alten traurig zurückbleiben.

Auch für Bonn ist es nicht gut, um jeden Preis Jobs zu halten, aus denen nichts neues entsteht, aus denen sich keine Dynamik entwickeln kann - sondern die einfach nur da sind, weil sie nicht weg dürfen. Und es ist auch den Mitarbeitern in Bonn nicht mehr zuzumuten, weitere Jahrzehnte damit zu verbringen, über ihren Lebensmittelpunkt zu debattieren.

Und schließlich ist da noch das liebe Geld. Der Bundesrechnungshof, der praktischerweise in Bonn angesiedelt ist, müsste gar nicht lange rechnen, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass es nun mal gut ist. Danke Bonn, schön war die Zeit.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2016
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