Süddeutsche Zeitung

Bischofskonferenz in Fulda:"Bischöfe, sprecht mit uns"

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Die Erwartungen an die erste Bischofskonferenz seit dem Missbrauchsskandal waren hoch. Doch während die Gläubigen draußen auf Wandel hoffen, können die Geistlichen sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen.

Karin Prummer

Der Mann aus Hammelburg grinst: "Wir sind so richtig typische Rebellen: Lektoren, Pfarrgemeinderatsmitglieder, Organisten. Die ganz Gefährlichen." Mit etwa 70 anderen Hammelburgern ist er aus Unterfranken nach Fulda gekommen. Zum Beten vor dem Dom und zum Plakate hochhalten. "Bischöfe sprecht mit uns, nicht zu uns", steht auf einem.

Sie haben eine Gitarre, ein Keyboard und Kerzen dabei und beten für Reformen in der Kirche. Sie tun das jeden Donnerstagabend. Heute zum 48. Mal. Vor so vielen Wochen musste ihr Gemeindepfarrer gehen, er wurde suspendiert als herauskam, dass er Frau und Kind hat.

Hinter dem Dom geht gerade die Sonne unter und drinnen feiern die deutschen Bischöfe ihre Schlussandacht - seit einer Woche reden sie hinter verschlossenen Türen, es ist die erste Bischofskonferenz nach dem Missbrauchskandal. Deshalb sind die Hammelburger hier. Sie hoffen, dass sich jetzt endlich etwas tut. "Die Missbrauchsdebatte hilft, damit die Kirche merkt: Wir haben wirklich ein Problem", sagt die Hammelburgerin Marion Baron.

Die erschütternden Schicksale und der öffentliche Druck auf die Kirche haben bei vielen Gläubigen diese Hoffnung geweckt. Und so waren die Erwartungen hoch vor dieser Bischofskonferenz: Schaffen es die Bischöfe, nicht nur mit Worten zu versichern, dass sie auf Seiten der Opfer sexuellen Missbrauchs stehen? Werden sie Entschädigungen zahlen? Packen sie die großen Fragen an, die rigide Sexualmoral, den Zölibat?

Vieles bleibt wage

Doch als Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Bischofskonferenz und Freiburger Erzbischof, am Freitagmorgen eine 17 Seiten lange Bilanz vorlegt, kann er darin nur den kleinsten gemeinsamen Nenner der Schar von Bischöfen aus den 27 Diözesen präsentieren.

Sie haben deutlicher als zuvor gesagt, dass sie bereit sind, Missbrauchsopfer finanziell zu entschädigen. Wie, in welcher Höhe und woher das Geld kommen soll, bleibt weiter unklar mit dem Argument, man wolle sich erst mit den anderen Organisationen am runden Tisch der Bundesregierung abstimmen. Sie stellten ein Präventionskonzept vor, das Missbrauch in Zukunft verhindern soll. Jedes Bistum muss dafür eine Stelle schaffen, Kirchenmitarbeiter müssen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Andere Regeln etwa zu den Beschwerdewegen bleiben vage, jede Diözese soll sie für sich selbst konkretisieren.

Am Freitag stellte Zollitsch eine "Dialoginitiative" vor: Die Bischöfe wollen in Zukunft selbstkritischer untereinander sprechen sowie mit den Diözesangremien, auch über "sperrige Themen etwa aus den Bereichen der Sexualität, der Zölibatsverpflichtung oder des Sakramentempfangs wiederverheirateter Geschiedener", sagte Zollitsch. In einem Brief an alle Pfarrgemeinden wollen sie Ende November den Gläubigen erklären, wie sie die Lage der Kirche sehen und wie es weitergehen soll.

Viele Absichtserklärungen, viele Worte. Katholische Laienvertreter wie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken freuten sich über das Dialogangebot, Organisationen von Missbrauchsopfern kritisieren, das sei alles zu wenig, zu schwammig. Dass vieles nicht konkreter wurde, könnte an den "kontroversen Diskussionen" gelegen haben, von denen Zollitsch so oft spricht, als er die Bilanz der Beratungen vorstellt. Die 27 deutsche Bistumsleiter haben bei vielen Themen keine gemeinsame Position. Fühlen sich einige noch immer zu Unrecht von einer Missbrauchs-Medienkampagne getrieben, plädiert der andere laut und öffentlich dafür, auch verheiratete Männer zum Priesteramt zuzulassen.

Ein wertvoller Schatz

Das hat der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen vor der Konferenz in einem Interview getan. Sein Münchner Kollege Reinhard Marx findet dagegen, man müsse "die Ehelosigkeit der Priester als einen wertvollen geistlichen Schatz der Kirche wiederentdecken" und nicht diskutieren, wie man diesen vermeintlichen Ballast der Geschichte endlich wieder loswerde. Miteinander wollen die Bischöfe über den Zölibat aber erst nächstes Jahr reden, er war nicht Thema in Fulda.

Bei den Hammelburger Demonstranten schon: Sie haben dem Sekretär der Bischofskonferenz am Donnerstagnachmittag knapp 12.000 Unterschriften gegen den Zölibat übergeben. Nun stehen sie am Domvorplatz und warten, dass die Bischöfe aus der Schlussandacht kommen und ihre Plakate sehen. Aber als die Kirchenuhr 19 Uhr schlägt, läuft die Genehmigung für die Demo aus und es ist noch immer keiner zu sehen. Enttäuscht? Marion Baron zuckt die Schultern. Nein, aufregend war es, sagt sie, viele Kameras haben sie gefilmt. Und: "Wir halten durch." Im Oktober feiern sie daheim in Hammelburg Jubiläum. Seit einem Jahr beten sie dann für die Kirche.

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