Süddeutsche Zeitung

Bespitzelungen in Deutschland:Spionageverdacht - Generalbundesanwalt ermittelt gegen türkischen Geheimdienst

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Von Georg Mascolo

Der Generalbundesanwalt hat wegen des Verdachts, dass Anhänger der sogenannten Gülen-Bewegung in Deutschland ausgeforscht werden, Ermittlungen aufgenommen. Die Behörde bestätigte auf Anfrage von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, dass sich das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Spionage gegen bisher unbekannte Angehörige des türkischen Nachrichtendienstes Millî İstihbarat Teşkilâtı (MİT) richte.

Die Sprecherin der Behörde, Frauke Köhler, sagte: "Der Erfolg unserer Ermittlungen wird wesentlich von den Erkenntnissen abhängen, die uns von den deutschen Spionageabwehrbehörden mitgeteilt werden."

Der MİT-Chef hatte im Februar seinem BND-Kollegen in München eine Liste mit den Namen, Wohnanschriften, Telefonnummern und in vielen Fällen auch Fotos von mehr als 300 angeblichen Gülen-Anhängern in Deutschland übermittelt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Militärputsch 2016 in der Türkei verantwortlich und bezeichnet ihre Mitglieder als Terroristen. Die Bundesregierung sieht dafür allerdings bislang keine Beweise.

Aus Sorge um die Sicherheit der ausspionierten Menschen sind erste Bundesländer dazu übergegangen, diese vor den Nachstellungen des MİT zu warnen.​​

De Maizière: "Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar"

Deutsche Politiker verwahrten sich gegen das Bespitzeln türkischer Bürger in Deutschland. "Spionageaktivitäten auf deutschem Boden sind strafbar und werden von uns nicht geduldet", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Passau. "Das kann nicht die Zukunft des deutsch-türkischen Verhältnisses sein", sagte de Maizière. Unabhängig davon, wie man zur Gülen-Bewegung stehe - "hier gilt deutsches Recht und hier werden nicht Bürger, die hier wohnen, von ausländischen Staaten ausspioniert".

Außenminister Sigmar Gabriel sprach sich für eine gründliche Untersuchung des Spionageverdachts aus. "Sollte es so gewesen sein - das vermag ich aber jetzt weder zu bestätigen noch zu dementieren -, wäre es in der Tat ein schwerwiegender Vorgang", sagte der SPD-Politiker in Berlin. "Aber man muss jetzt, glaube ich, auch der Sache erst mal richtig nachgehen."

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann reagierte empört auf die mutmaßlichen Spionageaktivitäten. "Das hat eine neue Qualität", sagte er in Berlin. Die Bundesregierung dürfe nicht zulassen, dass unbescholtene Bürger bespitzelt würden. "Das muss unterbunden werden. Der türkische Geheimdienst hat insoweit in Deutschland nichts zu suchen."

Spionage ausländischer Geheimdienste in Deutschland wird dem Strafgesetzbuch, Paragraf 99, zufolge erst dann als Straftat verfolgt, wenn sich eine "geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet", also gegen deutsche Interessen.´Der Staatsschutz-Senat des Bundesgerichtshofs hatte 2015 allerdings festgestellt, dass das auch die Grundrechte der friedlich in Deutschland lebenden Ausländer umfasse.

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