Süddeutsche Zeitung

Belgien:König empfängt erstmals Rechtsextreme

Lesezeit: 1 min

Zum ersten Mal in der Geschichte Belgiens hat der König einen Vertreter der rechtsextremen Partei Vlaams Belang zu Gesprächen über die Regierungsbildung empfangen. Nachdem die Partei bei den Parlamentswahlen am Sonntag zweitstärkste Kraft geworden war, lud König Philippe den Vorsitzenden Tom Van Grieken am Mittwoch zum Gespräch ein, wie der Palast mitteilte.

Der Monarch sondiert derzeit eine mögliche Regierung für das Königreich und trifft sich auch mit Vertretern anderer Parteien. Er spielt in der belgischen Politik eine wichtige Rolle als Vermittler. Regierungsbildungen sind in Belgien traditionell kompliziert.

"Das ist das normalste von der Welt, dass der Staatschef den Sieger der Wahlen einlädt", sagte Van Grieken laut Nachrichtenagentur Belga am Mittwoch bei seiner Ankunft am Königspalast. Der Vlaams Belang (VB) hatte bei den Wahlen knapp zwölf Prozent der Stimmen erreicht - gut acht Punkte mehr als 2014. Die Partei tritt für die Unabhängigkeit Flanderns und für eine deutliche Beschränkung der Zuwanderung ein. Die Belgier haben am Sonntag eine fragmentierte Abgeordnetenkammer gewählt. Im französischsprachigen Süden votierten sie eher links, im flämischsprachigen Norden eher rechts. Dort, in Flandern, holte der Vlaams Belang bei der Regionalwahl sogar 18 Prozent.

Die sozialistische Politikerin Laurette Onkelinx sagte, sie sei "schwer schockiert" über das Gespräch Van Griekens mit dem Monarchen. Der VB sei eine rassistische und gewalttätige Partei. Dass Philippe sie trotzdem empfange, sei "bedauernswert".

Der "Cordon Sanitaire" bröckelt

Der Vlaams Belang (VB) ist die Nachfolgepartei des Vlaams Blok, der 2004 nach Verurteilungen einiger seiner Politiker wegen rassistischer Äußerungen umbenannt wurde. Um die Jahrtausendwende herum gehörte die Partei regelmäßig zu den drei stärksten Parteien in Flandern. Allerdings beschlossen alle anderen Parteien schon 1989, nicht mit dem Vlaams Blok zu koalieren. Damit war die Partei bisher von Regierungsämtern auf allen Ebenen ferngehalten worden. Allerdings bröckelt der damals beschlossene "Cordon Sanitaire" gerade. Die nationalistische N-VA stellt ihn infrage, auch wegen des jüngsten Wahlerfolges des VB.

Als Reaktion auf das Wahlergebnis hatten bereits am Dienstag mehr als 4000 Menschen in der belgischen Hauptstadt Brüssel gegen Rechtsextremismus demonstriert. Das berichtete Belga unter Berufung auf die Polizei. Die Teilnehmer trugen Schilder mit Aufschriften wie "Faschismus ist hier nicht willkommen" oder "Nein zum Faschismus".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4467749
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/kit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.