Süddeutsche Zeitung

Zugverkehr:Wie die Bahn für mehr Sicherheit sorgen will

Lesezeit: 2 min

Von Markus Balser, Berlin

Wie Bahnfahren in Deutschland sicherer wird? Schon ein paar Zahlen machen die Dimension der Aufgabe klar: Täglich fahren in Deutschland sieben Millionen Passagiere von Bahnhöfen ab. 24 000 Fern- und Nahverkehrszüge rollen jeden Tag durchs Land. Eine Woche nach der tödlichen Attacke am Frankfurter Hauptbahnhof hat die Bahn am Montag Experten zusammengerufen und eine Projektgruppe für mehr Sicherheit an den Gleisen gestartet. Was die knapp 20 Fachleute im Blick haben, könnte das Bahnfahren in Deutschland verändern.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung prüft der Konzern weitreichende Maßnahmen. Die Fachleute der Bahn sprächen derzeit nicht nur über mehr Wachpersonal und Kameras, sondern auch über die mögliche Sperrung von Bahnsteigen für Fahrgäste während der Einfahrt der Züge oder den möglichen Aufbau zusätzlicher Sicherheitswände und -türen zwischen Zügen und Bahnsteig. Infrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla hatte die interne Projektgruppe zusammengetrommelt.

Zusätzliche Sicherheitswände oder Schranken am Bahnsteig wären in Deutschland ein Novum. Mit München hat gerade die erste Stadt beschlossen, den Einbau von Gleistüren an einer U-Bahn-Pilothaltestelle ab 2023 zu testen. Sie sind so hoch wie die Fahrzeuge, grenzen den Bahnsteig von den Gleisen ab und öffnen sich erst, wenn ein Zug im Bahnhof steht. Die Wände und Türen aus Sicherheitsglas sollen verhindern, dass Menschen ins Gleisbett fallen oder hineingestoßen werden. In München war die Entscheidung schon vorher unabhängig von der Attacke in Frankfurt gefallen. Denn Bahnen und Nahverkehrsunternehmen rechnen mit immer mehr Passagieren und volleren Bahnsteigen. Damit wächst auch die Unfallgefahr.

Doch schon zum Start der Projektgruppe bei der Bahn ist klar, dass mehr Sicherheit nicht einfach wird. Gleistüren etwa funktionieren vor allem auf Bahnsteigen, die von den immer gleichen Zugtypen genutzt werden. Die Deutsche Bahn aber nutzt alleine vier verschiedene ICE-Typen. Oft halten auf den gleichen Gleisen zudem Regional- und Fernzüge, die an unterschiedlichen Stellen Türen haben. Leicht werde es deshalb nicht, das Gleistüren-konzept, das bislang vor allem in asiatischen Metropolen genutzt wird, aus dem Nah- auf den Fernverkehr zu übertragen.

Zumindest theoretisch möglich wäre es laut Bahnkreisen auch, Reisenden den Zutritt zum Bahnsteig mit Schranken erst dann zu ermöglichen, wenn die Züge bereitstehen. Allerdings sind Bahnsteige mehrere Hundert Meter lang. Vor allem in Sackbahnhöfen wie Frankfurt oder München könnte es dann dauern, bis Reisende mit Koffern ihren Platz im gebuchten Wagen erreichen. Sicherheit gehe im Zweifel vor, heißt es bei der Bahn. Aber man müsse eben auch prüfen, ob damit ein längerer Halt an den Bahnhöfen und längere Fahrzeiten der Züge verbunden seien.

Projektgruppe soll Sicherheitsgipfel vorbereiten

Einfacher umzusetzen wäre eine weitere Idee: Mit Markierungen auf dem Bahnsteig könnte die Bahn breitere Schutzstreifen schaffen. Das würde mehr Aufmerksamkeit für die Gefahren durch einfahrende Züge schaffen, eine Attacke wie in Frankfurt aber wohl kaum verhindern. Am vergangenen Montag hatte dort ein Mann einen Achtjährigen und dessen Mutter vor einen einfahrenden ICE gestoßen. Der Junge starb, seine Mutter wurde verletzt.

Einige Tage zuvor hatte in Voerde in NRW ein Mann eine 34 Jahre alte Frau vor einen Zug gestoßen, sie kam ums Leben.

Die Projektgruppe soll Effizienz, Machbarkeit und Kosten möglicher Maßnahmen prüfen und einen Sicherheitsgipfel von Innenminister Horst Seehofer, Verkehrsminister Andreas Scheuer (beide CSU), Sicherheitsbehörden und Bahn-Spitze vorbereiten, der voraussichtlich im September stattfinden soll, heißt es weiter. Für ein umfassendes Bild ziehe die Bahn Experten aus allen Bereichen zusammen, sagt Hans-Hilmar Rischke, Leiter der Konzernsicherheit, und kündigt eine schnelle Lösung an. "Wir arbeiten mit Hochdruck an Konzepten für intelligente Lösungen, die die Sicherheit auf Bahnhöfen weiter verbessern."

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Quelle:
SZ vom 06.08.2019
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