Süddeutsche Zeitung

Baden-Württemberg:Kretschmann hat die besten Chancen - aber mit wem?

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Auch nach zehn Jahren im Amt kann sich Deutschlands einziger Grünen-Ministerpräsident über beste Werte freuen. Er dürfte, den Umfragen zufolge, Landeschef bleiben - fragt sich nur, an der Spitze welcher Regierungskonstellation.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Es ist Markttag in Aalen. Alexander Asbrocks grasgrüne Daunenjacke signalisiert den Einkäufern schon von Weitem, für welche Partei der 49-Jährige hier in der Fußgängerzone steht und um Wählerstimmen wirbt. Zielstrebig geht ein älterer Herr in schlammfarbenem Parka auf den Kandidaten zu und legt in einem Tonfall los, als wolle er Asbrock jetzt mal den Kopf zurechtrücken. "Ich muss Sie wählen", beschwert er sich über Baden-Württembergs Ein-Stimmen-Wahlrecht, "weil ich den hier will!" Er zeigt auf ein Plakat, auf dem Winfried Kretschmann zu sehen ist. "Der ist der Beste."

Auch nach zehn Jahren im Amt kann sich Deutschlands einziger Grünen-Ministerpräsident über Zustimmung in breiten Teilen der Bevölkerung von Baden-Württembergs freuen. In einer aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politikbarometer haben 70 Prozent der Befragten gesagt, dass sie sich für Kretschmann entscheiden würden, wenn sie den Ministerpräsidenten direkt wählen könnten. Nur 13 Prozent würden für Susanne Eisenmann von der CDU votieren.

Dank Kretschmann und seinem pragmatischen Regierungsstil liegt auch seine Partei in den Umfragen stabil vorne. Wenige Tage vor der Landtagswahl an diesem Sonntag sah die Forschungsgruppe die Grünen bei 34 Prozent und die CDU bei 24 Prozent. Der Abstand hat sich seit Anfang des Jahres um mehrere Prozentpunkte vergrößert, weil der schwarze Koalitionspartner an Zustimmung verlor. Anders als von vielen CDU-Wahlkämpfern befürchtet, hat die Maskenaffäre, in die auch der frühere JU-Landeschef und bisherige Bundestagsabgeordneter Nikolas Löbel aus Mannheim verwickelt sein soll, die ohnehin schlechten Umfragewerte der Vorwoche allerdings nicht weiter gedrückt.

Die drei weiteren Parteien, die erneut in den Landtag kommen dürften, liegen wie schon seit Wochen alle im niedrigen zweistelligen Bereich (FDP und AfD elf Prozent, SPD zehn Prozent). Doch bei allem bleibt eine Unsicherheit: 41 Prozent der Befragten waren sich noch nicht sicher, wen oder ob sie überhaupt wählen wollen. Außerdem haben viele ihre Stimme wegen der Pandemie schon vor Wochen per Briefwahl abgegeben. Davon könnte die CDU profitieren, weil ihre Umfrageergebnisse im Februar besser waren.

Auch eine Ampelkoalition scheint möglich zu sein

Die Umfragen legen jedoch nahe, dass es Verschiebungen im Vergleich zu 2016 geben wird. Damals wurden die Grünen mit 30,3 Prozent stärkste Kraft vor der CDU (27 Prozent), und die AfD zog mit 15,1 Prozent zum ersten Mal in den Landtag ein. Die SPD stürzte nach fünf Jahren grün-roter Regierung auf 12,7 Prozent ab und wurde zweitkleinste Fraktion vor der FDP (8,3 Prozent).

Um ein Zweierbündnis mit SPD oder FDP einzugehen, müssten die Grünen am Sonntag gegenüber den Umfragen aber noch einmal zulegen. Wahrscheinlicher scheint eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU zu sein, die sonst mit der AfD in die Opposition müsste. Alternativ ist eine Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP denkbar, für die sich die Liberalen anders als vor fünf Jahren sehr offen zeigen. Bei einer Diskussion der Spitzenkandidaten im SWR wurde am Donnerstag noch einmal deutlich, dass es den Grünen in einem Bündnis mit der FDP nicht unbedingt leichter fallen würde, ihre Klimapolitik durchzusetzen, der Kretschmann oberste Priorität einräumen will. So lehnen die Liberalen etwa eine Herzensangelegenheit der Grünen ab: alle neuen Wohngebäude mit Solarstromanlagen auszustatten.

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