Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmigration:Schweiz begrenzt Zuwanderung für EU-Bürger

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In der Schweiz lässt sich gutes Geld verdienen, das wissen auch viele Deutsche. In Zukunft wird es aber schwieriger werden, dort einen Arbeitsplatz zu bekommen. Erstmals hat die Regierung in Bern den Zuzug für fast alle Bürger der EU eingeschränkt.

Der Begriff "Ventilklausel" ist in der Schweiz allgemein bekannt - so bekannt, dass die in Zürich erscheinende Boulevard-Zeitung Blick das Wort auf seiner Online-Seite sogar in der Überschrift verwendet. "Bundesrat aktiviert Ventilklausel" steht dort.

"Ventilklausel" hat es im Jahr 2009 in der Schweiz sogar zum Unwort des Jahres geschafft. Das Wort "umschreibt nüchtern-technologisch die Regulierung der Ein- und Rückwanderung von Personen aus dem EU-Raum in die Schweiz", hieß es damals in der Begründung der Jury - und genau darum geht es auch jetzt wieder: die Einwanderung zu begrenzen.

Der Bundesrat - das Organ, das in der Schweiz die Regierung stellt - hat am Mittwoch beschlossen, eben jene Ventilklausel auf 17 verschiedene EU-Länder anzuwenden, darunter auch auf Deutschland.

Die Ventilklausel für die EU-17, wie die Länder in der Schweiz häufig genannt werden, soll vorerst ein Jahr lang gelten. So soll der Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt für die Bürger dieser Staaten erschwert werden. Betroffen sind Langzeit-Aufenthaltsbewilligungen für fünf Jahre. Für kurzzeitige Arbeitsaufnahmen soll es keine Limitierung geben.

Insgesamt soll die Zahl der sogenannten Fünfjahresbewilligungen für Bürger der EU-17-Staaten auf maximal 53.700 beschränkt werden. Die Ventilklausel werde angewandt, um die Zuwanderung aus dem EU-Raum "wirtschafts- und gesellschaftsverträglich zu gestalten", erklärte die Regierung.

Mit der nun eingeführten Begrenzung sollten negative Auswirkungen der Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt, die Sozialversicherungen, die Raumplanung, den Wohnungsmarkt sowie auf die Infrastruktur gemindert werden, heißt es in einer Mitteilung der Regierung.

Die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga betonte, dass die Entscheidung "kein unfreundlicher Akt gegenüber der EU" sei. In Bern stehe man weiterhin "voll und ganz hinter der Personenfreizügigkeit", sagte Sommaruga auf einer Pressekonferenz.

Zuwanderung für EU-Neubürger härter eingeschränkt

Bereits vor einem Jahr hatte die Regierung die Zuwanderung aus den meisten EU-Ländern in Osteuropa, wie den baltischen Staaten oder Polen - den sogenannten EU-8 - limitiert. Diese Regelung wurde nun für ein Jahr verlängert und die Zuwanderung damit auf 2.180 Personen beschränkt.

Die Ventilklausel ist ein Abkommen der Schweiz mit den EU-Staaten. Voraussetzung dafür, dass die Klausel greift, ist, dass die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen in einem Jahr mindestens zehn Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegt. Mit jährlich 60.000 bis 80.000 Menschen, die in den vergangenen Jahren aus der EU in die Schweiz zogen, ist diese Bedingung nach Angaben des Justizministeriums erfüllt.

Zugleich räumte Sommaruga ein, dass die Ventilklausel die Probleme der Zuwanderung in die Schweiz nicht lösen könne. Es sei die Implementierung von langfristigen Maßnahmen notwendig. Dazu zählte die Justizministerin etwa das Vorgehen gegen Lohndumping sowie die Bekämpfung von Missbräuchen im Bereich des Ausländerrechts und der sozialen Sicherheit. Wegen der wachsenden sozialen Ungleichheiten sei die Schweiz einfach "ein Anziehungspunkt".

Die Wirtschaftskrise in der EU zieht tatsächlich immer mehr Menschen auf der Suche nach Arbeit vor allem aus Südeuropa in die Schweiz, wo die Arbeitslosenquote nur bei knapp mehr als drei Prozent liegt. Viele Schweizer machen den Zustrom aber für steigende Mieten und verstopfte Straßen verantwortlich. Die rechtkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) brachte in wenigen Monaten knapp 140.000 Unterschriften für eine Volksabstimmung unter dem Titel "Gegen Masseneinwanderung" zusammen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat enttäuscht auf die Entscheidung der Schweizer Regierung reagiert: "Die EU misst der Personenfreizügigkeit im Kontext der gesamten Beziehungen zur Schweiz eine hohe Bedeutung zu", sagte sie in Brüssel. Nach Ansicht der EU ist die Schweizer Ventilklausel juristisch bedenklich: "Die Maßnahmen, welche die Schweizer Regierung heute beschlossen hat, widersprechen dem Abkommen, da sie zwischen unterschiedlichen Gruppen von Mitgliedstaaten unterscheiden", sagte sie.

Allerdings ist der Ventilklausel ohnehin keine lange Gültigkeit beschieden. gemäß den Verträgen mit der EU darf die Schweiz ab dem 31. Mai 2014 die Zuwanderung nicht mehr einschränken.

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