Süddeutsche Zeitung

Antikorruptionsgesetz:Kampf gegen korrupte Ärzte droht zu scheitern

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Von Guido Bohsem, Berlin

Die Antikorruptionskämpfer von Transparency International haben es vor etwa vier Jahren so formuliert: "Niedergelassene Ärzte und Abgeordnete darf man in Deutschland bestechen und muss sich vor Strafe nicht fürchten." Damals hatte der Bundesgerichtshof geurteilt, dass für Ärzte mit eigener Praxis andere Regeln gelten als für angestellte Ärzte in der Klinik. Sie dürfen nämlich Zuwendungen zum Beispiel der Pharmaindustrie annehmen, ohne Strafe befürchten zu müssen.

Seit dem Urteil versuchen die Gesundheits- und Rechtspolitiker im Bundestag diesen Zustand mit einem Gesetz gegen Korruption im Gesundheitssystem abzustellen. Die Vorgängerkoalition scheiterte. Und nun besteht die Gefahr, dass auch Union und SPD an der Aufgabe scheitern.

Dabei hatte es zuletzt gut ausgesehen für das Antikorruptionsgesetz. Nach monatelangem Clinch hatten die zuständigen Rechtspolitiker der Fraktionen einen Durchbruch erzielt, der vor allem auf die Bedenken der Ärzteschaft einging und von dieser ausdrücklich begrüßt wurde.

SPD-Gesundheitspolitiker empört

Unter den sozialdemokratischen Gesundheitspolitikern hingegen löste der Kompromiss Empörung aus. Sie sind offenbar sogar bereit, das gesamte Gesetz scheitern zu lassen, statt der vereinbarten Lösung zuzustimmen. "Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich die Frage, ob es sich dann überhaupt noch lohnt, das Gesetz zu verabschieden", sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke (SPD), hatte sich zuvor ähnlich eingelassen und auf Änderungen bestanden.

Glaubt man Lauterbach, werden durch den Kompromiss vor allem die Patienten benachteiligt. "Krankenkassen und Pharmaindustrie erhalten einen besseren Schutz vor Korruption. Alleine der Patient bleibt ungeschützt." Das sei ein unhaltbarerer Zustand. So könne auch künftig kein Arzt strafrechtlich belangt werden, wenn er einen Patienten aus wirtschaftlichem Eigeninteresse falsch behandele.

So sind nach Lauterbachs Worten Fälle denkbar, in denen Ärzte bewusst ein schlechteres Medikament verschreiben, weil sie im Gegenzug Geld des Pharmaunternehmens erhalten. Ein solches Vorgehen könne zu massiven Nachteilen und im schlimmsten Fall zu gesundheitlichen Schäden der Patienten führen und müsse daher auch geahndet werden können.

Es gehe nicht darum, Behandlungen zu bestrafen, die beispielsweise nicht den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften entsprechen. Hier könne selbstverständlich jeder Mediziner frei entscheiden, wenn er dafür gute Gründe sieht. "Ein Tatbestand wäre es nur dann, wenn er von den Richtlinien aus wirtschaftlichen Gründen Abstand nimmt."

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SZ vom 08.04.2016
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