Süddeutsche Zeitung

Anhänger des türkischen Präsidenten:Wenn Ihr uns nicht wollt, dann eben Erdoğan

Lesezeit: 3 min

Die Empörung über Erdoğan gilt auch seinen deutschen Anhängern. Bei ihrer Integration hat Deutschland viele Fehler gemacht.

Von Hannah Beitzer

Einfach oder gar erfreulich ist wirklich nichts an diesem Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Dazu gehört auch alles, was mit der Eröffnung der Kölner Zentralmoschee zu tun hat. Errichtet hat sie der größte deutsche Moscheen-Verband Ditib, der schon längere Zeit wegen seiner Abhängigkeit von Ankara in der Kritik steht. Unterstützer der Zentralmoschee, zum Beispiel der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) hatten sich schon vor der Eröffnung in harschen Worten von dem Projekt abgewandt. Die amtierende Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat ihre Teilnahme an der Eröffnungsfeier abgesagt. Und schließlich hat die Stadt eine rund um die Moschee geplante Großveranstaltung am Freitag kurzfristig verboten.

Warum sind viele Deutschtürken Erdoğan treu ergeben?

Auf der Facebookseite der Moschee schimpfen nun unter dem Post zur Absage der Veranstaltung Deutsche über "die Türken" und "ihren Sultan", welche wiederum mit Nazi-Vergleichen kontern. In Köln versammeln sich währenddessen Tausende Erdoğan-Anhänger mit ihren Fahnen. Das führt direkt hinein in eine Diskussion, die immer entbrennt, wenn ein türkischer AKP-Politiker Deutschland besucht oder wenn in der Türkei Wahlen anstehen: Warum sind so viele in Deutschland lebende Türken und Türkeistämmige mit deutschem Pass Erdoğan und seinen Gefolgsleuten so treu ergeben?

Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Ein Teil der Antwort lautet aber: Bei der Integration von Migranten - nicht nur derer aus der Türkei - hat Deutschland große Fehler gemacht. Und macht einige Fehler heute immer noch, da bereits eine ganz andere Zuwanderergruppe ins Land kommt.

Relativ einig ist man sich inzwischen, dass die erste Gastarbeitergeneration von Anfang an ganz anders hätte in die Gesellschaft eingebunden werden müssen. Die damalige Annahme, die Neuankömmlinge würden nach einigen Jahren in Deutschland wieder zurück in die Heimat gehen, stellte sich als falsch heraus. Und im Vergleich zu vor 40 Jahren hat sich auch einiges getan. Es gibt heute zum Beispiel eine Vielzahl von staatlich geförderten Integrations- und Sprachkurse für die unterschiedlichen Zuwanderergruppen. Millionen Menschen unterstützen ehrenamtlich Flüchtlinge und andere Zuwanderer beim Ankommen in der Gesellschaft. Die Politik schickt sich endlich an, Deutschland ein modernes Zuwanderungsgesetz zu verpassen.

Rassismus und #metwo

Doch den dahinterliegenden Fragen nähert sich Deutschland nur im Schneckentempo: Was heißt das eigentlich, Integration? Was braucht es, um deutsch zu sein? Und kann man auch deutsch und türkisch, russisch, italienisch oder syrisch gleichzeitig sein? Wie hilflos die Gesellschaft in diesen Fragen ist, hat zuletzt die Diskussion um den zurückgetretenen Fußballnationalspieler Mesut Özil gezeigt. Der hatte sich mit Erdoğan fotografieren lassen, aus Respekt zur Heimat seiner Eltern, wie er sagte. Aus der herkunftsdeutschen Bevölkerung schlugen ihm Unverständnis, teilweise auch blanker Rassismus entgegen.

Verständnis zeigten damals allerdings viele Kinder und Enkelkinder der ersten Einwanderergeneration. Die kannten wie Özil das Gefühl, zwei Heimaten zu haben, sich zwei Ländern verbunden zu fühlen, zwei Kulturen, die sie prägen. Obwohl sie anders als ihre Eltern und Großeltern schon in Deutschland geboren sind. Unter dem Hashtag #metwo sammelten sie eindrucksvolle Belege dafür, wie schwer sich die deutsche Mehrheitsbevölkerung immer noch tut, Menschen wie sie einzuordnen und anzuerkennen. Der harmlos klingende Satz: "Woher kommst Du?" ist nur ein Beispiel. Gibt sich der Fragesteller nicht mit der Antwort "Köln" zufrieden, signalisiert er: ein Mustafa, eine Kübra können nicht aus Deutschland kommen.

Viele Deutsche haben tatsächlich ein beschränktes Bild von gelungener Integration. Sie können sich vielleicht einigen auf den türkischstämmigen Fußballkumpel, der wie alle anderen sein Bier trinkt und beim Grillfest nicht auf Halal-Würstchen besteht. Bei der Erzieherin mit Kopftuch wird es schon schwieriger: Kann die gut integriert sein? In einer Befragung sagten 71 Prozent der Deutschen, ein Kopftuch erschwere die Integration. Dabei ist es erst einmal völlig egal, wie die Frau ihren Glauben auslebt, ob sie in Essen oder in Ankara geboren wurde, ob sie einen deutschen oder einen türkischen Pass hat. Allein das Kopftuch markiert sie als Fremde, rechtfertigt Misstrauen.

Wer dazu gehört, bestimmen andere

Die ablehnende Haltung reicht übrigens bis in die Politik. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" ist ein Satz, der so oder so ähnlich in den vergangenen Jahren mehrfach wiederholt wurde. Zuletzt von Innenminister Horst Seehofer, der in dieser Legislaturperiode als Heimatminister auch für die Frage zuständig ist, wie der Zusammenhalt in der zersplitterten deutschen Gesellschaft gestärkt werden kann.

Das bleibt natürlich nicht ohne Auswirkung auf die Gefühle, die Menschen mit Migrationshintergrund Deutschland entgegenbringen. In einer Umfrage des NDR sagten etwa die Hälfte der Türkischstämmigen in Deutschland, der Umgang zwischen Deutschen und Deutschtürken habe sich in den vergangenen Jahren verschlechtert. Eine Studie des Essener Zentrums für Türkeistudien zeigte, dass immer mehr Türkeistämmige in Deutschland, nämlich etwa die Hälfte, ausschließlich die Türkei als ihre Heimat sehen. Dieser Wert ist seit 2011 gestiegen. Jeder zweite Türkeistämmige nehme die türkische Regierung und Migrantenorganisationen als Interessenvertreter wahr, sagten die Studienleiter damals.

Wenn Ihr uns nicht wollt, dann wenden wir uns eben dahin, wo man uns will - das scheint der Grundsatz der Erdoğan-Anhänger in Deutschland zu sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4150552
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.