Süddeutsche Zeitung

Angola:Ruhe in Unfrieden

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Er hat sich hemmungslos an Angola bereichert, nun tobt um den Leichnam von Ex-Präsident José Eduardo dos Santos ein bitterer Streit. Nicht zum ersten Mal wird in Afrika mit Toten Politik gemacht.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Das Mausoleum für Agostinho Neto in Angolas Hauptstadt Luanda ist höher als die Freiheitsstatue in New York und sieht aus, als hätten sich die Architekten nicht entscheiden können, ob sie einen Obelisk bauen wollen oder eine Rakete. Zu klein ist das rund 120 Meter hohe Grabmal zumindest nicht geraten, darunter liegen ein riesiger Park und ein großes Dokumentationszentrum. Dort kann man alles über Netos Rolle in Angolas Unabhängigkeitskampf gegen Portugal lernen, über seine Zeit als erster angolanischer Präsident und über seine Gedichte, die so schöne Namen wie "Pfad der Sterne" tragen. Dass der Pfad des Landes nicht immer dorthin führt, zeigt sich ein paar hundert Meter weiter, wo die Menschen in Blechhütten hausen, obwohl Angola doch so reich ist an Öl und Gas.

Die Menschen in den Hütten haben eine recht eindeutige Meinung, warum das so ist. Weil die Unabhängigkeitsbewegung MPLA, angeführt von Neto und dann seinem Nachfolger José Eduardo dos Santos, das Land zur Beute nahmen. Weil die Anführer sich schamlos bereicherten, moralisch genau so verkamen wie die portugiesischen Kolonialherren. Dos Santos war fast 40 Jahre lang Präsident, er klaute Milliarden und starb am 8. Juli im selbstgewählten Exil in Barcelona. Durch die Köpfe der Angolaner spukt er aber weiter, wie ein Untoter.

Die Regierung möchte ihn heimholen und beerdigen wie einen großen Staatsmann. Dos Santos soll vielleicht kein ganz so gewaltiges Mausoleum bekommen wie sein Vorgänger Neto, aber doch eine angemessene letzte Ruhestätte - eine zwölfköpfige Kommission macht sich derzeit Gedanken. Drei Kinder von dos Santos wollen hingegen mit allen Mitteln verhindern, dass der Vater nach Luanda zurückkehrt. Sie haben Anwälte engagiert und einen Richter in Barcelona gebeten, die Überführung zu verhindern. Es ist wie in einer Telenovela, die sich um Eitelkeiten und Rache dreht und in der ein toter Mann als Faustpfand herhalten muss. Manchmal endet im Tod eben nicht mal die Feindschaft, sie geht einfach weiter oder fängt erst richtig an.

Immer wieder in den vergangenen Jahrzehnten wurden in einigen afrikanischen Ländern politische Feindschaften über den Tod hinaus ausgefochten. Die Nachfahren von Zaires Diktator Mobuto wollten ihn nie nach Hause lassen, er ist in Marokko beerdigt. Seinem Widersacher und langjährigem Premierminister Etienne Tshisekedi erging es posthum umgekehrt: Er starb in Brüssel, seine Kinder wollten ihn heimholen in die Demokratische Republik Kongo, wie Zaire seit 1997 heißt. Doch die Regierung von Joseph Kabila fürchtete ihn und seine Popularität noch im Tod, drei Jahre lang lag Tshisekedi in einem belgischen Tiefkühlhaus, bevor er doch nach Kinshasa durfte, wo mittlerweile sein Sohn regiert.

Dos Santos' Kinder scheinen mit seinem Leichnam zu pokern

Auch José Eduardo dos Santos selbst hat mit Beerdigungen Politik gemacht. Seinen langjährigen Widersacher Jonas Savimbi, mit dem er zwanzig Jahre lang Bürgerkrieg führte, ließ er 2002 unter einem Busch verscharren. Erst 2019 durfte er anständig beerdigt werden, da war dos Santos schon in Spanien.

Freiwillig ging er nicht ins Exil. 2017 hatte dos Santos seinem Verteidigungsminister João Lourenço die Macht übergeben, in der Annahme, dass alles so weiter gehen würde in seinem persönlichen Selbstbedienungsladen und Lourenço keinen Unsinn anstellt. Der aber kündigte einen Kampf gegen die Korruption an, Isabel dos Santos, die als reichste Frau Afrikas gefeierte Tochter des Vorgängers, musste ihre Posten als Chefin des Staatlichen Ölkonzerns abgeben. Auch gegen andere Kinder von dos Santos wurde wegen Korruption ermittelt, ein Sohn gar zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die 2020 auch in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Luanda Leaks machten das ganze Ausmaß der Korruption deutlich, inklusive der Mittäterschaft europäischer Konzerne und Banken bei der Plünderung.

Es ist daher auf den ersten Blick verwunderlich, dass Präsident João Lourenço den Leichnam heimholen will. Aber im August stehen Wahlen an, der Amtsinhaber liegt in Umfragen zurück. Mit den Kindern von dos Santos ist wenig zu gewinnen, sie sind im Volk verhasst. Dem Vater aber beginnen viele nachzuweinen. Während unter seinem Nachfolger weniges besser wird und die aktuellen Lebenshaltungskosten unaufhaltsam steigen, verklären sie seine Regierungszeit, Sentimentalität setzt ein.

Die Kinder von dos Santos scheinen hingegen mit dem Leichnam des Vaters eine Art Pokerspiel zu betreiben. Sie erhoffen sich wohl, dass die angolanischen Behörden die Anklagen gegen sie fallen lassen, wenn sie den Vater hergeben. Auch die Chefanklägerin aus Luanda soll nach Barcelona geflogen sein für Verhandlungen, was offiziell aber bestritten wird. Wie das Spiel ausgeht, ob eine Seite einen Gewinn daraus zieht, wird man nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 24. August wissen. Derzeit scheint es nur Verlierer zu geben in diesem Trauerspiel.

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