Süddeutsche Zeitung

Amnesty zu US-Einsatz in Afghanistan:"Hinweise auf Kriegsverbrechen wurden ignoriert"

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Amnesty International wirft dem US-Militär schwere Versäumnisse vor: In Afghanistan sind bei US-Angriffen zahlreiche Zivilisten getötet worden - doch das US-Militär untersuche diese Fälle nicht.

  • Amnesty International beklagt mangelnden Willen der Amerikaner, Fälle von zivilen Opfern beim Afghanistan-Einsatz aufzuklären.
  • Die Organisation fordert unter anderem eine unabhängige Ermittlungsbehörde und nimmt auch die Bundesregierung in die Pflicht.

USA sollen Hinweise auf Kriegsverbrechen ignoriert haben

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat der US-Militärjustiz schwere Versäumnisse bei der Aufklärung möglicher Kriegsverbrechen in Afghanistan vorgeworfen. "Selbst offensichtliche Hinweise auf Kriegsverbrechen wurden ignoriert und die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen", sagte die Amnesty-Generalsekretärin für Deutschland, Selmin Caliskan, zu einem 108-seitigen Bericht ihrer Organisation, der am Montag veröffentlicht wurde.

Darin werden zehn Luftangriffe und nächtliche Razzien der US-Streitkräfte zwischen 2009 und 2013 beschrieben, bei denen nach Amnesty-Recherchen 140 Zivilisten ums Leben gekommen sind, 50 von ihnen Kinder. "In keinem der von uns untersuchten Fälle wurde überhaupt ein Strafverfahren eingeleitet", sagt Caliskan.

Für den Bericht befragte Amnesty 125 Zeugen und Angehörige von Opfern. Obwohl die US-Armee in den meisten Fällen Untersuchungen angekündigt habe, seien die Angehörigen und Augenzeugen fast nie angehört worden, beklagt die Organisation.

Menschenrechtler dringen auf unabhängige Ermittlungsbehörde

Amnesty fordert eine umfassende Untersuchung der dargestellten Fälle und eine Reform der US-Militärjustiz. Bisher entscheide keine unabhängige Ermittlungsbehörde über die Einleitung von Verfahren, sondern militärische Befehlshaber. Auch die Bundesregierung müsse sich als Truppensteller in Afghanistan dafür einsetzen, dass Todesfälle unter Zivilisten umfassend untersucht und Opfer entschädigt würden.

Situation in Afghanistan

Der Kampfeinsatz der Nato in Afghanistan läuft im Dezember nach 13 Jahren aus. Auch für die geplante Nachfolgemission zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Streitkräfte verlangt die Nato Schutz vor Strafverfolgung durch afghanische Behörden. Ein entsprechendes Abkommen muss aber noch vom neuen afghanischen Präsidenten unterzeichnet werden. Die Neuauszählung der Stimmen der Präsidentenwahl läuft gerade.

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