Süddeutsche Zeitung

Algerien:Bouteflika gibt auf

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Der Präsident beugt sich dem Druck der Straße und kündigt seinen Rückzug an. Laut Verfassung muss innerhalb von 90 Tagen gewählt werden.

Von Paul-Anton Krüger, München

Algeriens umstrittener Präsident Abdelaziz Bouteflika hat seinen Rückzug vor dem regulären Ende seiner Amtszeit am 28. April angekündigt. Das geht aus einer Erklärung des Präsidialamtes von Montagabend hervor, die von der amtlichen Nachrichtenagentur APS verbreitet wurde. Der Präsident werde nach Maßgabe der Verfassung wichtige Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass "die staatlichen Institutionen während der Übergangszeit weiter funktionieren". Laut algerischer Verfassung übernimmt nach einem Rücktritt des Präsidenten der Vorsitzende des Oberhauses des Parlaments für 90 Tage kommissarisch die Aufgaben des Staatsoberhaupts. In dieser Zeit muss eine Präsidentenwahl organisiert und abgehalten werden.

Die Ernennung eines neuen Übergangskabinetts unter Premierminister Noureddine Bedoui am Sonntagabend wird in dem Kommuniqué als erster Schritt dazu dargestellt. Der Regierung gehören 27 Mitglieder. Nur sechs hatten Ämter im vorigen Kabinett bekleidet. Unter ihnen ist aber der starke Mann der Armee, Generalstabschef Ahmed Gaïd Salah, der zugleich stellvertretender Verteidigungsminister ist.

Bouteflika, der 82 Jahre alt und von einem Schlaganfall im Jahr 2013 schwer gezeichnet ist, beugt sich damit erneut den Massenprotesten, bei denen am vergangenen Freitag allein in der Hauptstadt Algier wieder mehr als eine Million Menschen auf die Straße gegangen waren. Die Demonstranten protestieren auch dagegen, dass Bouteflika sich nach dem Verzicht auf eine Kandidatur für eine fünfte Amtszeit selbst sein Mandat auf unbestimmte Zeit verlängert hatte.

Der Präsident hatte angekündigt, eine Kommission einzusetzen, die unter Leitung des früheren UN-Diplomaten Lakhdar Brahimi bis Ende des Jahres die Verfassung überarbeiten solle. Diese solle dann dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden, dann sollten Präsidentenwahlen abgehalten werden. Armeechef Salah hatte dagegen am Samstag erneut die Absetzung des Präsidenten wegen Amtsunfähigkeit gefordert, die regierende Nationale Befreiungsfront (FLN) schloss sich dem an.

Unklar war am Abend, ob Bouteflika mit der Ankündigung seines Rücktritt nur der Absetzung zuvorkommen wollte und wie es nun in Algerien weitergehen würde. Das in Algerien herrschende undurchsichtige Geflecht aus Armee, Geheimdienst, Parteifunktionären und Geschäftsleuten könnte sich in einer kurzen Übergangszeit vermutlich auf einen Nachfolgekandidaten verständigen. Die Oppositionsparteien dagegen sind schwach und zerstritten. Die Protestbewegung, die von den Universitäten ausgegangen war, hat keine klaren Führungsfiguren. Der gemeinsame Nenner ihrer Forderungen ist inzwischen die Ablösung des Regimes. Dies wäre eher durch eine Verfassungsreform und eine lange Übergangszeit denkbar. Bislang haben die Demonstranten alle Zugeständnisse als Versuch der herrschenden Elite gewertet, ihre Macht zu erhalten - und sind jeden Freitag in noch größerer Zahl auf die Straßen gegangen.

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SZ vom 02.04.2019
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