Süddeutsche Zeitung

Afghanistan:Richterinnen und Polizisten im Visier

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Während die radikalislamischen Taliban in Katar mit der Regierung über eine Teilung der Macht verhandeln, verüben sie zu Hause eine Serie von Anschlägen auf Staatsdiener.

In Afghanistan sind zwei Richterinnen erschossen worden. Wie der TV-Sender Tolo News berichtete, eröffneten am Sonntagmorgen in Kabul Unbekannte auf einem Motorrad das Feuer auf das Fahrzeug der beiden Juristinnen. Eine Passantin und der Fahrer des Autos wurden dabei verletzt.

Das Attentat auf die beiden Frauen gilt als Teil einer systematischen Kampagne der aufständischen Taliban, ihre Gegner aus dem Wege zu räumen, bevor sie mit der afghanischen Regierung eine Übereinkunft über eine Machtbeteiligung treffen. Attentate auf Frauenrechtlerinnen, Aktivisten, Journalisten, Wahlbeobachter, Politiker, Polizei und Armee gehören inzwischen zum Alltag.

Wie die Behörden am Samstag mitteilten, töteten Kämpfer der radikalislamischen Gruppe in der westlichen Provinz Herat zwölf Angehörige der Sicherheitskräfte. Bei dem Angriff am Freitagabend eröffneten drei Taliban das Feuer auf die Männer , die gerade beim Abendessen saßen. In der Hauptstadt wurden zudem am Samstag zwei Polizisten getötet und einer verletzt, als eine mit einem Magneten an ihrem Auto befestigte Bombe explodierte. Niemand bekannte sich zu dem Anschlag.

Eine Waffenruhe lehnen die Taliban weiter ab

In Dschalalabad, der Hauptstadt der östlichen Provinz Nangarhar, wurden zwei Polizisten von Unbekannten bei einem Angriff erschossen, wie der Chef des Provinzrates mitteilte. In der nördlichen Provinz Baghlan tötete eine am Straßenrand gezündete Bombe einen Polizisten, ein zweiter wurde verwundet.

In der südlichen Provinz Helmand wurde ein Polizist bei einem Taliban-Angriff auf einen Kontrollposten getötet, zwei weitere wurden verletzt. Im Distrikt Daman in der südlichen Provinz Kandahar explodierte eine Autobombe vor einem Geheimdienstbüro. Laut dem Provinzgouverneur Ruhullah Khanzada gab es anschließend eine Schießerei, bei der vier Angreifer getötet wurden.

Seit September verhandeln Afghanistans Regierung und die Taliban in Katars Hauptstadt Doha über Frieden. Kritiker werfen den Taliban vor, die Gespräche in Doha zu nutzen, um sich militärische Vorteil zu verschaffen. Eine Waffenruhe lehnen die Taliban weiterhin ab. Die Verhandlungen stocken auch wegen des nahenden Endes der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. Selbst bei der Frage nach der Agenda herrscht keine Einigkeit.

Es wird erwartet, dass unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden sich die Außenpolitik deutlich ändert - unklar ist jedoch, wieweit dies für das Engagement in Afghanistan gilt. Trump hatte angeordnet, das US-Kontingent auf 2500 Soldaten zu verringern. Das Pentagon hat dies ausgeführt, obwohl der Kongress den Abzug per Gesetz untersagt hatte.

Die USA hatten im Februar ein Abkommen mit den Taliban unterzeichnet, das einen schrittweisen Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan vorsieht. In diese Verhandlungen aber war Kabul nicht einbezogen. Die Taliban wollen wieder an der Macht beteiligt werden. Sie hatten Afghanistan von 1996 bis zur Militärintervention der USA nach den Anschlägen des 11. September 2001 regiert.

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