Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl:Comeback der Wut-Partei

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AfD legt in Niedersachsen zu - und erhält viel Zuspruch auf der Straße.

Von Till Uebelacker

In den Umfragen geht es für die AfD seit August wieder bergauf. Die Institute sehen sie bei etwa 15 Prozent im Bund. Auch am Sonntag bei der Landtagswahl in Niedersachsen kann die Partei ihr Ergebnis verbessern. 2017 erzielte sie hier 6,2 Prozent. Nun erhält sie nach ersten Prognosen zwischen 11,5 und zwölf Prozent der Stimmen, etwa eine Verdopplung. Das bedeutet eine Trendumkehr. Denn zuletzt ging es im Westen für die AfD ziemlich steil bergab. Bei der Bundestagswahl erzielte sie Westen im Schnitt nur 8,2 Prozent. In Schleswig-Holstein flog sie aus dem Landtag, in Nordrhein-Westfalen und im Saarland konnte sie sich gerade so im Parlament halten. "Wir haben die richtigen Themen gesetzt", sagte Parteichef Tino Chrupalla, kaum dass die Wahllokale geschlossen hatten. Den Erfolg führte er auch darauf zurück, dass der seit Juni amtierende neue Bundesvorstand der AfD Geschlossenheit zeige. Damals war die Partei noch weiter nach rechts gerückt.

Die AfD konnte bei der Wahl in Niedersachsen wieder viele Protestwähler anziehen, wie Zahlen des Instituts infratest dimap zeigen. 90 Prozent der AfD-Wähler wollen demnach "Protest gegenüber der herrschenden Politik" ausdrücken. Die AfD konnte von allen Parteien - außer von den Grünen - Wähler hinzugewinnen. Allein 50 000 Stimmen kamen von der CDU, 40 000 von der FDP und 30 000 aus dem Nichtwählerlager.

Dass die AfD wieder Zulauf hat, zeigte sich auch am Samstagmittag, bei einer Demonstration im Berliner Regierungsviertel. Zentrales Thema der Kundgebung war die Energiekrise. Schon in der Vergangenheit konnte die Partei besonders in Krisensituationen profitieren. Bei den Themen Euro, Migration oder Corona war es so. Und tatsächlich: Die Polizei zählte nach eigenen Angaben 10 000 Demonstrierende bei der AfD. Das seien mehr als doppelt so viel wie angemeldet.

"Die AfD profitiert von der Unsicherheit der Menschen"

Parteichef Tino Chrupalla griff die Bundesregierung wegen der hohen Energiepreise scharf an. Der "Wirtschaftskrieg" mit Russland müsse beendet werden. Neuer Lieblingsgegner von Chrupalla ist der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck. "Wir müssen nicht den Gaspreis bremsen, wir müssen die Grünen bremsen", ruft Chrupalla. Die Menge antwortet im Chor: "Habeck muss weg. Habeck muss weg." Chrupalla will stattdessen beide Nord-Stream-Pipelines wieder öffnen, den Kohleausstieg rückgängig machen, zurück zur Atomkraft.

Das sei eine typische Chrupalla-Rede gewesen, konstatiert Fabian Virchow. Der Rechtsextremismusforscher von der Hochschule Düsseldorf hatte sich unter die Demonstranten gemischt. "Die AfD besetzt hier gezielt soziale Themen und profitiert von der Unsicherheit der Menschen", sagt der Professor. Beim chaotischen Bundesparteitag im Juni hatte sich das rechtsextreme Lager um Björn Höcke weitgehend durchsetzen können. Relevante Gegner des völkisch-nationalistischen "Flügels" gibt es im neuen Bundesvorstand seitdem nicht mehr. Experten sprechen von einer "Höckisierung" der Partei.

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