Süddeutsche Zeitung

AfD-Jugendorganisation:"Junge Alternative" will aus Angst vor Sanktionen gemäßigter auftreten

Lesezeit: 3 min

Von Sebastian Pittelkow, Katja Riedel und Jens Schneider

Es sind elf Regeln, die sich die zum Teil als extrem rechts bekannte Jugendorganisation der AfD, die "Junge Alternative" (JA), selber setzen will. Elf Regeln oder "Absichten", wie es in dem Papier heißt, mit denen die jungen Rechten sich gegen den Verfassungsschutz und auch gegen Sanktionen ihrer eigenen Mutterpartei wappnen wollen.

Dieses Bekenntnis zu einer Art Selbstbeschränkung in der Öffentlichkeit ist Teil einer "Gemeinsamen Erklärung" eines Großteils der Spitzen der "Jungen Alternative", die NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung vorliegt. Das derzeit noch interne Papier hat der Parteinachwuchs jetzt an den Bundesvorstand der AfD geschickt.

Da ist zum Beispiel Regel sechs. Darin widmet sich der Parteinachwuchs der Frage des Umgangs mit der Nationalhymne. Auf Veranstaltungen singt die "Junge Alternative" auch die erste Strophe, das hat der AfD-Bundesvorstand gerügt. Nun erklärt die Spitze der Organisation: "Wir erkennen an, dass das Singen aller Strophen des "Liedes der Deutschen" in der Öffentlichkeit leider falsch interpretiert wird und keine Vorteile mit sich bringt."

Deshalb wolle man sich "verpflichten, nach dieser Maßgabe zukünftig sowohl auf Bundes- als auch auf Landeskongressen ausschließlich die National- und Landeshymnen zu singen".

Zu den Unterstützern zählt dem Papier zufolge der JA-Vorsitzende Damian Lohr, zudem zahlreiche Landesvorstände. Mit der darin versprochenen Selbstregulierung des Außenbildes soll offenbar der Parteivorstand besänftigt werden.

Die AfD-Jugendorganisation gilt als so rechts, dass Teile des AfD-Bundesvorstands sich von ihr komplett trennen wollen. Die Parteiführung hat jüngst sogar über eine mögliche Auflösung des Jugendverbandes nachgedacht - für diesen Schritt gab es allerdings keine Mehrheit.

In einer von Parteichef Jörg Meuthen verfassten Erklärung war von "Abscheu" über menschenverachtende Äußerungen einzelner JA-Mitglieder die Rede. Aus der "Jungen Alternative" waren Chats mit üblen Witzen über den Holocaust und Gewaltphantasien bekannt geworden. Unter diesem Eindruck hatte der AfD-Bundesvorstand am Montag beschlossen, die JA immerhin gründlich zu prüfen und demnächst in einer Sondersitzung über weitere Schritte zu beraten.

Es geht der AfD dabei auch darum, sich selbst gegenüber dem Verfassungsschutz unangreifbar zu machen. Schließlich hat dieser bereits entschieden, die JA in Bremen, Baden-Württemberg sowie in Niedersachsen zu beobachten. Den Landesverband in Niedersachen hat die JA vor Wochen allerdings bereits aufgelöst.

In der JA gibt es auch moderatere, konservative Mitglieder, die es ähnlich sehen wie der Parteivorstand. Diesem gegenüber klagten sie, sie kämen gegen die Extremisten nicht mehr an. Einige haben sich bereits zurückgezogen.

In der "Gemeinsamen Erklärung" heißt es nun, dass die Jugendorganisation die Abscheu des AfD-Bundesvorstands über menschenverachtende Äußerungen einzelner Mitglieder "uneingeschränkt" teile und dass diese nicht repräsentativ seien. Nun wolle man sich verpflichten, die in den Verhaltensregeln "geäußerten Absichten glaubhaft nach außen zu tragen".

Es sei nicht die Aufgabe der Jugendorganisation, die Mutterpartei "in der Schärfe der Rhetorik in einem unangemessenen Maße" zu übertreffen, heißt es da. Eine Mitgliedschaft in der "Identitären Bewegung" soll weiter ausgeschlossen sein. Und die auch in der AfD selbst inzwischen berüchtigten "WhatsApp"-Gruppen will der Nachwuchs besser kontrollieren und auf Kreisebene sogar ganz abschaffen. Dazu heißt es, dass für jeden Landesverband zwei unabhängige Verantwortliche zu bestimmen seien; sie sollen die Kommunikationskanäle überwachen und einem einzurichtenden Bundesgremium Verstöße melden.

Dass wirklich viel schief gelaufen ist, will man freilich nicht sehen. Die Beobachtung einzelner Landesverbände durch den Verfassungsschutz wird "zum jetzigen Zeitpunkt ... als restlos ungerechtfertigt zurückgewiesen". Man wolle juristische Schritte einleiten, "um die Beobachtung zu beenden".

Vieles klingt nach demonstrativen Gesten und weniger nach dem tatsächlichen Abschied von radikalen Ansichten, wie ihn Teile des AfD-Bundesvorstands intern forderten. So heißt es weiter, die Krise der "Jungen Alternative" sei teils durch das Fehlverhalten von Einzelpersonen sowie gezielte Sabotageakte aus den eigenen Reihen geschürt worden. "Indem wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt von Radikalen einerseits und Saboteuren andererseits trennten und trennen, durchleben wir einen Häutungsprozess wie ihn auch die AfD bereits zweimal erlebt hat."

Die AfD-Führung will voraussichtlich Anfang Dezember über ihren weiteren Umgang mit dem Nachwuchs entscheiden. Parteichef Meuthen hatte diese Woche erklärt, dass er auf eine Selbstreinigung hoffe. "Ich kann mir gut vorstellen, dass die Junge Alternative das erfolgreich selbst regelt", sagte er. "Falls das nicht gelingt, müssten wir durchgreifen."

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels stand, dass Damian Lohr zu den Verfassern des Papiers zählt. Dies haben wir korrigiert.

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