Süddeutsche Zeitung

Äthiopien und Eritrea:Zwei Länder erwachen aus dem Tiefschlaf

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Nach zwanzig Jahren Krieg und 80 000 Toten gibt es endlich Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea. Die Menschen können ihr Glück kaum fassen.

Von Bernd Dörries, Asmara

Daniel Abrah trägt die Geschichte der beiden Länder an seinem Körper. Der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea hat ihn zwei Finger gekostet und die Haut des linken Armes verbrannt. Jetzt steht er am Flughafen von Asmara mit einer Flagge Äthiopiens in der Hand und begrüßt die Feinde von damals. Und seine Tante, die er zum ersten Mal wiedersieht seit 20 Jahren. Es gibt viele erste Male in diesen Tagen. Seit Mittwoch gibt es wieder eine direkte Flugverbindung zwischen Addis Abeba und Asmara. Der erste Flug war sofort ausgebucht, jeden Tag fliegt nun eine Maschine in jede Richtung, jeden Tag ein großes Wiedersehen auf beiden Seiten.

Es ist ein Frieden, auf den keiner vorbereitet war, im Jahr 1998 zogen die beiden Länder in den Krieg, der mindestens 80 000 Menschenleben kostete und bis jetzt nie wirklich zu Ende ging. Der Hass auf den jeweils anderen bestimmte die Politik und zerriss Familien. Alle dachten, dass es für immer so weiter gehen würde.

"Es ist unglaublich, der schönste Tag in unserem Leben, sagt Miretab Tesfaye. Er ist ganz in weiß gekleidet, der traditionellen Kleidung der Region und sitzt mit seinem zehnjährigen Sohn an Bord der ersten Maschine von Addis Abeba nach Asmara. Auf der anderen Seite wartet die Urgroßmutter, 92 Jahre alt, die den Urenkel zum ersten Mal sehen wird. Das Flugzeug ist voller solcher Geschichten. Dem Wahnsinn des Krieges und der Trennung danach.

Eritrea ist in diesen Tagen wie ein Land, das aus dem Tiefschlaf erwacht

"Wir haben genug bezahlt", sagt Tewolde Gebremariam an Bord, der Chef von Ethiopian Airlines, als der Jungfernflug die Grenze überquert, ein Band wird durchschnitten, es gibt Champagner.

Bisher sind es nur die Wohlhabenden, die sich den Flug leisten können und das Wiedersehen. Die Route kostet einfach bis zu 500 Euro, in der Bevölkerung kommt das nicht gut an, die Airline hat versprochen, die Preise zu senken. Aber auch zu günstigeren Tarifen wird die Masse der Bevölkerung eher mit dem Bus fahren, der Linienverkehr soll in diesen Tagen beginnen. Tausende sitzen zu Hause und warten auf die erste Möglichkeit ins jeweils andere Land zu kommen. Es ist ein wenig wie der Mauerfall in Zeitlupe.

Die beiden Länder wurden vom Frieden überrascht, in der eritreischen Hauptstadt bricht das ohnehin unfassbar langsame Internet fast völlig zusammen, so dass die Bilder des Friedens und des Wiedersehens erst mit Verzögerung in die Welt finden. Es sind ganz andere Bilder als die, die man von Eritrea sonst kennt.

Eritrea ist in diesen Tagen wie ein Land, das aus dem Tiefschlaf erwacht, Hotels werden entstaubt und wieder in Betrieb gesetzt, die Bars holen ihre letzten Vorräte aus dem Keller. Es sind lange Nächte in Asmara, das Viele für die schönste Stadt Afrikas halten. Und in der man in diesen Tagen nicht hallo sagt zur Begrüßung oder guten Tag. Sondern: Lasst uns feiern.

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