Süddeutsche Zeitung

Sexueller Missbrauch:Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Weißen Rings

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Dem früheren Polizisten wird vorgeworfen, ein Kriminalitätsopfer sexuell belästigt zu haben.

Von Jana Stegemann, Düsseldorf

Es sind schwere Vorwürfe, die gegen einen ehrenamtlichen Mitarbeiter von Deutschlands größter Opferschutzorganisation erhoben werden: Dem Mann wird vorgeworfen, sexuelle Handlungen an einem von ihm betreuten Kriminalitätsopfer vorgenommen zu haben; er leitete bisher eine Außendienststelle des Weißen Rings in Westfalen-Lippe. Der frühere Polizist soll die gesundheitliche Situation und die besondere Belastung der betroffenen Frau für seine Zwecke ausgenutzt haben, teilte der Weiße Ring auf einer eigens für den Fall eingerichteten Webseite mit.

Am 10. Februar sei der Bundesvorstand in Mainz von einer Rechtsanwältin und einer Beratungsstelle über die Vorwürfe informiert worden, hieß es vom Weißen Ring am Montagnachmittag. Der Verein machte die Vorwürfe gegen einen seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter damit selbst öffentlich.

Mit sofortiger Wirkung habe der Landesvorsitzende des Weißen Rings NRW/Westfalen-Lippe, Jörg Bora, den Außenstellenleiter von seinem Posten abberufen. Außerdem hat der Verein den Mitarbeiter wegen des Verdachts von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung angezeigt. Den Eingang der Anzeige bestätigte ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Arnsberg auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung. Eine eigens eingerichtete Taskforce des Weißen Rings will nun alle Fälle überprüfen, die der Mann in der Vergangenheit betreut hat. Zudem wurde eine Telefonhotline eingerichtet.

Auch Betrug wird dem Mann vorgeworfen

Von der Opferschutzorganisation heißt es weiter, dass "unabhängig von einer strafrechtlichen Bewertung der Vorwürfe durch die Justiz" der Mitarbeiter "massiv gegen den Verhaltenskodex des Vereins und gegen die Standards der Opferbetreuung verstoßen" habe. Es gehe auch um Betrugsvorwürfe.

Schon Anfang 2019 hatte sich ein von dem Mann betreutes Kriminalitätsopfer beim Opfer-Telefon des Weißen Rings gemeldet und dem Leiter der Außenstelle sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Der Mitarbeiter war daraufhin damals vom Landesvorsitzenden Bora suspendiert worden. Weil die Aussagen des Opfers als "widersprüchlich und nicht hinreichend glaubhaft bewertet" wurden, der Beschuldigte die Vorwürfe zudem "völlig haltlos" nannte, hob Bora die Suspendierung nach wenigen Wochen wieder auf.

"Das Vertrauen von Menschen, die sich in einer persönlichen Ausnahmesituation hilfesuchend an uns gewandt haben, ist hier mutmaßlich auf schwerste Weise missbraucht worden", sagte Bora laut einer Pressemitteilung des Vereins. Er bitte um Entschuldigung, "dass es dem Weißen Ring, dass es mir nicht gelungen ist, sie hiervor zu bewahren, wenn die Vorwürfe zutreffen". Es sei "unerträglich, wenn Menschen durch ein Verhalten eines Mitarbeiters des Weißen Rings erneut zu Opfern werden."

Im Landesverband Westfalen-Lippe arbeiten etwa 220 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 26 Außenstellen. Als größte Opferschutzorganisation Deutschlands setzt sich der Weiße Ring seit 1976 für die Interessen von Kriminalitätsopfern ein.

Vor drei Jahren gab es schon einmal Vorwürfe gegen einen Leiter einer Außenstelle des Weißen Rings in Lübeck. Im Frühjahr 2018 wurde öffentlich bekannt, dass der pensionierte Polizist jahrelang Frauen missbraucht haben soll. Damals trat die Spitze des Landesverbandes Schleswig-Holstein geschlossen zurück. Der Weiße Ring, 400 Außenstellen, 3000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, reagierte: Man führte das Sechs-Augen-Prinzip in der Betreuung ein oder gab dem Geschäftsführenden Bundesvorstand per Satzung die Möglichkeit, im Notfall Mitarbeiter zu suspendieren. Der Beschuldigte aus Lübeck wurde jedoch in einem Gerichtsprozess freigesprochen.

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