Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Jobs mit Aussicht

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Wie man in Deutschland den Fachkräftemangel bekämpft? Einfach den einsamsten Job ausschreiben. Wangerooge macht's vor.

Von Kerstin Lottritz

Die einen träumen von einer Vier-Tage-Woche, andere von einem schicken Dienstwagen und manchen reicht auch ein täglich frischer Obstkorb am Arbeitsplatz. Wer sich auf einen neuen Job bewirbt, wünscht sich immer ein bisschen mehr. Mehr Geld, mehr Ansehen, mehr Wertschätzung, mehr Work-Life-Balance. Doch wer alt oder weise genug ist, weiß, dass man irgendwann nicht mehr mehr bekommt. Dann steigt man am besten einfach aus - zum Beispiel, Achtung, Wortspiel, ans Meer.

Auf Wangerooge suchen sie einen neuen Leuchtturmwärter, und der Andrang an Interessierten ist enorm. Die 161 Stufen, die man täglich im Turm hoch- und wieder heruntergehen muss, schrecken offenbar nicht ab. Ebenso wenig, dass man Tickets für das im Erdgeschoss beheimatete Museum verkaufen soll. Allein die Aussicht aufs Meer, eine frische Brise und darauf, so was wie der einsame Herrscher über ganz Wangerooge zu werden, scheint gezogen zu haben.

Etwa 1100 Bewerbungen sind eingegangen, fast so viele, wie Menschen auf Wangerooge leben. Die zuständige Verwaltungskraft weiß gar nicht, wie sie den Stapel allein bearbeiten soll. Monate wird sie wohl brauchen, um nicht nur den bestmöglichen Leuchtturmwärter herauszufischen, sondern auch gleich noch den Fachkräftemangel auf der Insel zu bekämpfen. Den übrigen Bewerbern will sie nämlich Alternativjobs anbieten. In der Gastronomie wird Servicepersonal gesucht, in der Kinderanimation fehlt noch jemand für die Osterferien.

Das übrige Deutschland kann von den Insulanern nur lernen: Wer verzweifelt nach Kita-Erzieherinnen sucht, sollte vielleicht erst mal einen Job als Museumswärter ausschreiben - möglichst in Wasser- und Windnähe und in stiller Einsamkeit.

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