Süddeutsche Zeitung

Modedesignerin:Vivienne Westwood ist tot

Lesezeit: 3 min

Schrille Outfits und provokante Sprüche auf T-Shirts: Die britische Modedesignerin machte Punk salonfähig. Jetzt ist sie im Alter von 81 Jahren gestorben.

Die englische Modedesignerin Vivienne Westwood ist tot. Die "Godmother of Punk" der Siebziger Jahre starb am 29. Dezember im Alter von 81 Jahren, wie ihre Familie in sozialen Medien mitteilte und ihr Ehemann Andreas Kronthaler dem Guardian bestätigte.

Kronthaler, gebürtiger Österreicher, betonte in einer Mitteilung: "Wir haben bis zum Ende gearbeitet, und sie hat mir viele Dinge mitgegeben, mit denen ich weitermachen kann. Danke Liebling." Die Todesursache ist bisher nicht bekannt. Die Modeschöpferin hinterlässt zwei Söhne, den Fotografen Ben Westwood und Joseph Corré, den Gründer der Dessous-Firma Agent Provocateur.

Vivienne Westwood machte sich mit ihrer respektlosen Haltung gegenüber dem Establishment einen Namen. Das politische Statement gehörte fest zur Mode der Britin - gelegentlich zum Leidwesen von Ehemann Kronthaler. "Sie mag es, wenn die Kleidung eine Botschaft hat", sagte er in dem Westwood-Dokumentarfilm von Regisseurin Lorna Tucker. Rund 30 Jahre war die Britin mit dem 25 Jahre jüngeren Mann, ihrem ehemaligen Modestudenten, verheiratet.

Der Rückblick auf ihre Lebensgeschichte und ihre Karriere scheint Westwood ein Graus gewesen zu sein. "Müssen wir das alles besprechen?", meckerte sie in der sehenswerten Doku "Westwood: Punk, Icon, Activist", die 2018 Premiere hatte. "Das ist so langweilig." Dabei war kaum etwas in Westwoods Leben langweilig.

Englische Exzentrik

Ambivalenz war bei Westwood immer inklusive, und nichts zeigte das so sehr wie ihr Blick auf britische Traditionen. Sie war "typisch britisch" - und hatte andererseits so gar nichts mit alten Socken zu tun. Sie ließ ihr eigenes Karomuster patentieren - und ihr wird andererseits als Erfinderin der Punk-Mode gehuldigt. Ihr Name stand für die sprichwörtliche englische Exzentrik. Ein bisschen ausgefallen war die Tochter eines Baumwollspinners und Kolonialwarenhändlers aus der englischen Grafschaft Derbyshire schon immer.

Geboren am 8. April 1941 als Vivienne Isabel Swire in Tintwistle nahe Manchester, soll sie sogar an ihrer Schuluniform modische Änderungen vorgenommen haben. Das brave Dasein war nichts für sie. Mit 21 Jahren heiratete sie den begnadeten Tänzer Derek Westwood, mit dem sie einen Sohn bekam, den Fotografen Ben Westwood. Doch dann lernte sie den Kunststudenten Malcolm McLaren, Gründer und Manager der Punk-Band Sex Pistols, kennen und lieben. Westwoods Weg war geebnet.

Zusammen mit McLaren eröffnete sie 1970 auf der Londoner King's Road ihre erste Boutique. Schnell entwickelte sich der Laden zum Herz der jungen Punkszene. Der Name wechselte wie die Mode: "Let it rock", "Too fast to live, too young to die", "Sex", "Seditionaries" (Aufwiegler) und schließlich "World's end". Westwood kreierte die ersten Outfits für Johnny Rotten und Co. mit Sicherheitsnadeln, Netzhemden und Nietenarmbändern - und erschuf damit den ikonischen Punk-Look. Auch nach der Trennung von McLaren, mit dem sie ebenfalls einen Sohn - Joseph Corre - hat, blieb sie ihrer rebellischen Kreativität treu.

Vor allem die Inspiration aus der Mode des 18. und 19. Jahrhunderts war ihr Markenzeichen - allerdings in schrillen, schrägen Varianten. "Ich habe mich überhaupt nicht als Modedesignerin betrachtet, aber ich habe festgestellt, dass ich sehr talentiert war", erzählt Westwood in Tuckers Dokumentation. "Ich wollte, dass die Leute wissen, dass das Zeug, was sie auf dem Laufsteg in Paris sehen, von mir kommt. Und ich hab mir gedacht, ich muss in diese Geschäftswelt einsteigen und die Kleidung wirklich verkaufen, sie den Journalisten präsentieren und eine Modedesignerin sein. Mir war klar, dass ich das kann."

Mode allein war Westwood nie genug. Ohnehin hatte sie eine Karriere in der Branche ursprünglich gar nicht im Sinn. "Ich wollte keine Modedesignerin sein", stellte sie 2009 im "Time"-Magazin klar. "Ich wollte lieber lesen und intellektuelle Dinge machen." Ein Kunststudium brach sie nach nur einem Semester ab, um eine Ausbildung zur Lehrerin zu machen - mit Kunst als Hauptfach. Ihr Plan: "Ich werde versuchen, Künstlerin zu werden. Und wenn ich keine Künstlerin sein kann, werde ich Lehrerin."

Im Panzer zu David Camerons Privathaus

Lange engagierte sich die Punk-Pionierin mit der blassfahlen Haut für Menschenrechte, Frieden, Tierschutz und im Kampf gegen die Klimakrise. Die große Show gehörte stets dazu, wenn sich Westwood inszenierte, denn sie garantierte ihr Aufmerksamkeit. 2015 ließ sie sich in einem weißen Panzer zum Privathaus des damaligen britischen Premiers David Cameron fahren, um gegen Gasgewinnung durch Fracking zu protestieren.

Noch im vergangenen Jahr sorgte sie mit einem Protest für die Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange für Aufsehen: Im knallgelben Outfit saß sie vor einem Gerichtsgebäude in London in einem überdimensionalen Vogelkäfig.

Nachdem Westwood in der Heimat anfangs belächelt und im Fernsehen noch in den späten 1980ern sogar ausgelacht worden war, wurde sie 1990 und 1991 als britische Designerin des Jahres ausgezeichnet. 2006 wurde sie von Queen Elizabeth II. geadelt. Während Dame Vivienne, so ihr offizieller Titel, im Herzen immer noch Punk war, gehörte ihre Mode längst zum Establishment.

Queen-Enkelin Prinzessin Eugenie erschien zur Hochzeit von William und Kate 2011 in einem Westwood-Kleid. Selbst die frühere Premierministerin Theresa May trug einen Hosenanzug von ihr. Hof-Modeschöpferin der Royals wurde sie trotzdem nicht. Der Stil-Ikone Herzogin Kate empfahl sie eine Reduzierung der Zahl ihrer Outfits - aus Gründen des Umweltschutzes.

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