Süddeutsche Zeitung

Florida und der Hurrikan "Irma":Bereit für den Aufprall

Lesezeit: 3 min

Von Hubert Wetzel, Washington

Vor einigen Tagen kostete der rettende Flug noch 2000 Dollar. Inzwischen ist der Preis drastisch gestiegen, für ein Ticket, mit dem man noch vor dem Wochenende Miami verlassen kann, muss man jetzt gut 6000 Dollar bezahlen. In den Tagen danach gibt es dann zwar wieder recht günstige Flüge. Aber niemand weiß, ob die je stattfinden werden.

Denn in der Nacht von Samstag auf Sonntag wird Irma in Südflorida erwartet, einer der stärksten Wirbelstürme, die je über diese Region hinweggezogen sind. Und wenn man die Verwüstung sieht, die Irma auf ihrem Weg durch die Karibik auf den kleinen Inseln dort angerichtet hat, weiß man, was den mehr als fünf Millionen Menschen blüht, die im Großraum Miami leben.

Eigentlich ist der Süden von Florida tropische Stürme gewöhnt. Kein US-Bundesstaat wird so oft von Hurrikans getroffen wie Florida. Für die Menschen dort gehört es fast schon zur Routine, einmal im Jahr einen Vorrat an Trinkwasser und Konserven einzukaufen, Holzplatten vor die Fenster ihrer Häuser zu schrauben und auf das Beste zu hoffen. Doch Hurrikans von der Stärke und Größe Irmas sind selten. Mit Schrecken erinnern sich die Menschen in Florida an Hurrikan Andrew, der 1992 südlich von Miami aufs Festland traf, Zehntausende Häuser zertrümmerte und 65 Menschen tötete. Andrew war wie jetzt Irma ein Wirbelsturm der Kategorie 5 mit Windgeschwindigkeiten von 270 Kilometern pro Stunde.

Andrew war in der Geschichte Floridas ein einschneidendes Ereignis - aber auch ein lehrreiches. Die Verheerungen, die er anrichtete, führten dazu, dass die Behörden die Bedrohung durch Hurrikans deutlich ernster nahmen. Was Vorbeugung und Vorbereitung angeht, ist Florida inzwischen beispielhaft. So wurden etwa die Bauvorschriften verschärft, damit Häuser, Dächer und Fenster stabiler sind und den brutalen Windböen widerstehen können. Tankstellen und Supermärkte müssen Generatoren haben, damit sie nach einem Sturm rasch öffnen können, auch wenn das Stromnetz noch unterbrochen ist. Zudem wurden die Rettungsdienste für den Einsatz bei Stürmen ausgebildet und ausgerüstet. Wenn es also eine Metropole in den USA gibt, die auf einen Hurrikan vorbereitet ist, dann ist es Miami.

Dass das indes im Ernstfall keine Garantie ist, dass alles gut geht, hat man 2005 in New Orleans nach dem Hurrikan Katrina und vor einigen Tagen in Houston nach Harvey gesehen. Ein plötzlicher Dammbruch oder eine überwältigend große Menge Regen können alle Vorbereitungen und Pläne zunichtemachen. Auch deswegen hat die Regierung von Florida längst die Evakuierung einiger Landkreise im Süden angeordnet. Je weniger Menschen sich im Weg von Irma aufhalten, desto besser.

Und Miami hat ein weiteres Problem: Wegen des Klimawandels steigt der Meeresspiegel an, viele Teile der Metropolregion sind ohnehin schon hochwassergefährdet. Eine Sturmflut, wie sie Hurrikans auslösen, könnte deswegen dramatische Folgen haben. In Houston war das gerade zu beobachten, wenn auch durch Starkregen ausgelöst: Ein Drittel des Stadtgebiets war überflutet, Zehntausende Menschen waren von der Außenwelt abgeschnitten.

Vor diesem Hintergrund wirkt es umso bizarrer, dass konservative Medien in den USA einen guten Teil ihrer Hurrikan-Berichterstattung darauf verwenden, vehement zu bestreiten, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Erderwärmung, den Stürmen und den Schäden, die sie anrichten. Der rechtskonservative Radiomoderator Rush Limbaugh, der ein Millionenpublikum bedient, vertrat sogar die These, die behördlichen Warnungen vor Hurrikans seien eine Verschwörung zwischen Staat und Unternehmen, um Menschen dazu zu bringen, Batterien und Trinkwasser zu kaufen. Und natürlich, um die vermeintliche Mär vom Klimawandel zu verbreiten: "Es gibt in all diesen Bereichen der Regierung Leute, die glauben, dass die Menschen den Klimawandel verursachen, die ihn auf Teufel komm raus belegen wollen, die auf Teufel komm raus einen Beweis herzeigen wollen und die auf Teufel komm raus versuchen, die Bürger zu überzeugen", schimpfte Limbaugh.

Die Stürme scheinen die politischen Fronten durcheinanderzuwirbeln

Ähnlich packte der Fox-News-Moderator Sean Hannity das Thema an. Er befragte Ende August, als Harvey über Houston tobte, in seinen Sendungen etliche Male einen Mann namens Joe Bastardi als angeblichen Wetterexperten. Bastardi freilich ist vor allem als Leugner des Klimawandels bekannt und wurde, das räumte Hannity - ein Lieblingsjournalist von Präsident Donald Trump - ein, auch genau zu diesem Zweck eingeladen. Dass Stürme wie Harvey oder Irma dazu führen, dass die Republikaner oder Trump plötzlich ein Einsehen haben und für Klimaschutz sind, ist daher eher unwahrscheinlich.

Allerdings scheinen die Wirbelstürme die politischen Fronten in Washington etwas durcheinandergebracht zu haben. Anders ist kaum zu erklären, warum Trump sich am Mittwoch aus - heiterem - Himmel mit den Demokraten im Kongress verbündete, um ein etliche Milliarden schweres Hilfspaket für den Wiederaufbau nach Harvey und Irma zu beschließen. Die Demokraten koppelten ihre Zustimmung an die Bedingung, dass die dringend notwendige Anhebung der Schuldenobergrenze sowie ein Zwischenhaushalt zur weiteren Finanzierung der US-Bundesregierung nur für drei Monate gelten. Die Republikaner hatten eine Verlängerung um 18 Monate angepeilt, um nicht gleich in einem Vierteljahr wieder über zwei Dinge abstimmen zu müssen, die sie und ihre Wähler mit Inbrunst hassen: höhere Staatsausgaben und mehr Schulden.

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Quelle:
SZ vom 08.09.2017
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