Süddeutsche Zeitung

Umstrittene Entscheidung in Norderstedt:Hobbygärtner beschließen Ausländerquote

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Ein Viertel Türken oder Araber, ein Viertel Osteuropäer, der Rest andere Nationalitäten: Ein Kleingartenverein in Norderstedt bei Hamburg hat entschieden, die Zahl der ausländischstämmigen Mitglieder zu begrenzen. Höchstens neun von 73 Parzellen dürfen an "Bewerber mit Migrationshintergrund" verpachtet werden.

Jens Schneider, Hamburg

Mit so einem Bekenntnis fangen diese Art Geschichten eigentlich immer an. Man habe ja nichts gegen Ausländer, aber hier bei uns ... Heute sagen manche: Nichts gegen Migranten, aber - und meinen die gleichen Menschen.

Auch vom Kleingartenverein Harksheide-Kringelkrugweg in Norderstedt liest man das. Norderstedt ist eine Stadt am Nordrand Hamburgs, eine Speckgürtel-Gemeinde mit 75.000 Einwohnern. In einer guten halben Stunde ist man von dort mit der U-Bahn am Jungfernstieg im Zentrum Hamburgs.

Sorgfältig vorbereiteter Beschluss

Norderstedt macht selten Schlagzeilen, und die Überschriften dieser Tage sind nicht das, was sich ein Oberbürgermeister wünscht. Auch der Kleingartenverein Kringelkrugweg mag sie wohl nicht. So ist der Vorstand nicht zu erreichen, um zu erklären, wie es zu der umstrittenen Entscheidung kam.

Ende Oktober haben die Schrebergärtner beschlossen, die Zahl der Migranten in ihrem Verein zu begrenzen. Höchstens neun der 73 Parzellen sollen künftig noch an "Bewerber mit Migrationshintergrund" verpachtet werden. Der Beschluss war sorgfältig vorbereitet. Die Ausländerquote von maximal 12,6 Prozent entspricht dem Ausländeranteil in Schleswig-Holstein. Die Quote wurde aufgeschlüsselt, so sollte nur ein Viertel an Türken oder Araber gehen, ein weiteres an Osteuropäer, der Rest an andere Nationalitäten.

Die Befürworter der Begrenzung hätte die Sache offenbar gern intern gehalten. Doch ein Foto des Sitzungsprotokolls wurde Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote zugespielt, und der reagierte ungehalten. Er schrieb dem Verein, dass der Beschluss gegen das Grundgesetz verstoße und er ihn "entschieden missbilligt". In seinem Brief wies er darauf hin, dass ein Großteil der Norderstedter Bürger willkürlich ausgeschlossen würde. Grote warnte, die Stadt könne dem Verein die Pachtverträge kündigen. Sie ist Eigentümer der Flächen.

In Gesprächen erfuhr das Rathaus, dass es für den Beschluss keinen konkreten Auslöser gab. Man habe mit den Migranten im Verein eigentlich keine Probleme, hieß es. "Es steckt wohl keine rechtsextreme Haltung dahinter, aber das ist eine ausländerfeindliche Tendenz, die wir als Stadt nicht dulden", sagt der Sprecher der schleswig-holsteinischen Stadt, Hauke Borchardt.

Das Rathaus bietet dem Verein die Hilfe der Integrationsbeauftragten an und erwartet eine formelle Distanzierung per Mitgliederbeschluss. Der Vorstand des Kleingärtnervereins hat nun eine außerordentliche Mitgliedersammlung einberufen.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2011
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