Süddeutsche Zeitung

Übergriffe zu Silvester:Köln, Stadt der Räuber

Lesezeit: 2 min

Schon lange gibt es erhebliche Probleme mit Taschendieben. Kommen aus ihren Reihen auch die Täter der Silvesternacht?

Von Kristiana Ludwig, Köln

Fünf Tage nach den Überfällen auf zahlreiche Frauen am Kölner Hauptbahnhof ermittelt die Polizei noch, was die Täter in der Silvesternacht angetrieben haben könnte. Etwa 90 Anzeigen sind bisher bei der Polizei eingegangen, die meisten von ihnen aufgrund von Taschendiebstählen. Etwa 25 Sexualdelikte wurden angezeigt. "Dem Anschein nach", sagt ein Polizeisprecher, seien die Täter nordafrikanisch, zumindest seien sie so beschrieben worden. Mehr wisse man nicht.

Dabei sind Trickdiebe hier ein altbekanntes Problem. "Köln wird seit Jahrzehnten immer wieder als Hauptstadt der Räuber und Diebe tituliert", sagt Rüdiger Thust vom Bund der Kriminalbeamten. Kölner und Touristen kennen die Warnungen vor dem Antanz-Trick in der nächtlichen Innenstadt, mit dem Diebe das angetrunkene Partypublikum ablenken. Oder vor dem Poldi-Trick, benannt nach dem Kölner Fussballer Lukas Podolski: Betrüger werfen ihren Opfern einen Papierball zum Dribbeln vor die Füße. Nach dem Spiel ist die Geldbörse weg.

Seit mehr als zehn Jahren ist in Köln eine "Gemeinsame Projektgruppe Taschendiebstahl" im Einsatz, in der sich die Bundespolizei, die Bahnhof und Züge kontrolliert, mit den örtlichen Polizisten abstimmt. Ein Erfolg ist nicht zu spüren, im Gegenteil: Seit Jahren gibt es immer mehr Delikte, im vergangenen Jahr erreichten die bekannten Taschendiebstähle einen Rekordwert von 14 059 Anzeigen.

Thust glaubt, einen Grund für die Beliebtheit Kölns unter Kriminellen zu kennen: "Man schlottert nicht mit den Knien, wenn man an die Kölner Justiz denkt", sagt er. In den vergangenen Jahren seien ihm vor allem nordafrikanische Männer als Täter aufgefallen, während es sich vor zehn Jahren überwiegend um Gruppen aus dem osteuropäischen Raum gehandelt habe.

Gruppendynamik schuld an der Eskalation?

Ob die Männer, die jetzt am Hauptbahnhof Frauen sexuell bedrängt und bestohlen haben, zu den Dieben gehören, die sonst auf Volksfesten, an Messetagen und in der Einkaufszone unterwegs sind, vermag Thust nicht zu sagen: "Vielleicht entwickelt sich da eine neue Spaßkultur, aus Tätersicht betrachtet."

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, sagt, das Verhalten der Täter in der Neujahrsnacht sei untypisch für Kölner Trickdiebe: "Die Gruppe war erheblich alkoholisiert. Das spricht dagegen, dass es organisiert war." Die Stimmung habe sich aufgeheizt, nachdem die Polizisten den Bahnhofsvorplatz geräumt und die feiernden Menschen zur Seite geschoben hatten. Ihm sei von großen Gruppen mit mehr als 100 Personen berichtet worden, die gemeinsam Opfer angegangen hätten. Möglicherweise habe sich die Stimmung hochgeschaukelt. Seine Erklärung: "Gruppendynamik".

Die Ermittlungsgruppe Neujahr wird nun Bildmaterial der Nacht auswerten, Zeugen und Opfer befragen. Sie soll die offenen Fragen klären.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2806398
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.