Süddeutsche Zeitung

Türkei: mutmaßlicher Ehrenmord:Tot nach Liebesbrief

Sie hatte einem Jungen die Worte "Ich liebe Dich" geschrieben - wenig später war die Zwölfjährige tot. Nun rätselt man in der Türkei, ob das Mädchen Opfer eines "Ehrenmords" wurde.

War es Selbsttötung oder ein sogenannter Ehrenmord? Ein Staatsanwalt in der Türkei untersucht den Tod eines zwölfjährigen Mädchens, das nach dem Schreiben eines Liebesbriefchens mit drei Kugeln aus einem Sturmgewehr im Körper aufgefunden worden ist.

Die Familie des Opfers behaupte, das Kind habe mit der Kalaschnikow des Vaters Selbstmord begangen, berichteten türkische Zeitungen. Tatsächlich werde aber ein Ehrenmord vermutet.

Meryem aus dem osttürkischen Dogubeyazit hatte in ihrer Schulklasse "Ich liebe Dich" an einen Jungen geschrieben. Der Lehrer fand den Zettel. Den Berichten zufolge bestellte er den Vater ein und übergab das Papier.

Er habe damit "Gerüchten vorbeugen" wollen, wurde der Lehrer zitiert. Sein Verhalten wird nun von der Schulaufsicht untersucht.

Der Vater des Mädchens hat ein Sturmgewehr, weil er einer Dorfschützer-Einheit angehört. Diese Miliz wurde von der türkischen Regierung im Kampf gegen die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK ausgerüstet. Meryems ältere Schwester soll sich 1997 erhängt haben, berichtete die türkische Zeitung Radikal.

Als "Ehrenmorde" werden vorsätzliche Morde an Familienmitgliedern bezeichnet, die in den Augen der Täter Verhaltensregeln gebrochen haben und damit eine Gefahr für die Familienehre darstellen sollen.

In der Türkei werden jährlich zahlreiche Menschen wegen angeblicher Ehrverletzungen umgebracht. Seit 2005 sieht die türkische Justiz lebenslange Haftstrafen für "Ehrenmörder" vor. Die Gesetzesverschärfung trat auf Betreiben der EU in Kraft.

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