Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Zum Spottpreis

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Chloe Clem wurde als Zweijährige mit nur einem Seitenblick zum Meme im Internet. Dass ihr Bild nun, acht Jahre später, als NFT versteigert werden soll, hat sie sich verdient.

Von Violetta Simon

Ohne Sicherheitsgurt und passiv rauchend auf der Rückbank: Familienausflüge waren früher schon kein Zuckerschlecken. Heute reisen Kinder zwar rauchfrei und sicher im Kindersitz - dafür ohne Privatsphäre: Familienausflüge werden als Emotionskino initiiert ("Jetzt freu dich halt!") und für die Nachwelt dokumentiert.

So erging es der zweijährigen Chloe und ihrer älteren Schwester Lily aus Utah, die 2013 von ihrer Mutter ungefragt dabei gefilmt wurden, wie sie auf einen Überraschungsausflug ins Disneyland reagieren: Während Lily sich, von Weinkrämpfen geschüttelt, gar nicht mehr einkriegt, beäugt Chloe sie nur wort- und ratlos von der Seite und macht dazu "ihr süßes, kleines, schiefzahniges Gesicht", wie ihre Mutter später der BBC erzählte. Den Rest erledigte das Internet.

Das Video wurde mehr als 20 Millionen Mal gesehen, allerdings nicht wegen der ergriffenen Lily. Es war Chloes Seitenblick, der zum Internet-Hit wurde. Seitdem ist das Bild von "Side-Eyeing-Chloe" ein beliebtes Meme, um Zweifel zum Ausdruck zu bringen. Mal wurde sie zum hasenzahniges "Mädchen mit Perlenohrring" verfremdet, mal zur Mona Lisa, mal setzte man sie per Photoshop in einen Luxusschlitten mit Rapper 50 Cent.

Chloe, inzwischen zehn Jahre alt und mit Zahnspange ausgerüstet, hat heute mehr als 500 000 Follower auf Instagram. Nun will ihre Familie das Bild, das so oft von anderen instrumentalisiert wurde, als Non-Fungible Token (NFT) versteigern, als nicht ersetzbares, digital verschlüsseltes Objekt. Die Gebote beginnen bei umgerechnet 12 800 Euro. Und das, obwohl Chloe in dem Video keinen Laut von sich gibt. Klarer Fall von: Schweigen ist Gold.

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