Süddeutsche Zeitung

American Football:Der Tänzer am Spielfeldrand

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Eigentlich ist Ted Rath Fitnesstrainer des Football-Teams Los Angeles Rams. Beim Super Bowl aber wird er sich wieder seiner Sonderaufgabe widmen, dem Trainer. Er nennt es: "Tango".

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Ted Rath hat einen der kuriosesten Nebenjobs der Welt. Im Hauptberuf ist Rath Assistenztrainer des Football-Teams Los Angeles Rams, er ist zuständig für die Fitness der Spieler und den korrekten Sitz der Muskulatur. Dafür wird er natürlich auch entlohnt. So weit, so normal. Beim Super Bowl am kommenden Sonntag gegen die New England Patriots, dem Finale der Profiliga NFL, werden mehr als 150 Millionen Menschen weltweit bestaunen dürfen, wie Rath seiner Zusatzaufgabe nachgeht, für die er keinen Cent Extra-Gehalt bekommt: Er ist "Get Back Coach", also der Zurückhalter von Cheftrainer Sean McVay.

Raths Aufgabe an Spieltagen ist es, den aufgeregt an der Seitenlinie herumwuselnden McVay vom Spielfeld zu ziehen, weg von den heranstürmenden Footballern oder Schiedsrichtern. "Es ist eine Kunst für sich, es ist wie ein Tanz, Tango vielleicht", sagte Rath kürzlich in einem von der NFL veröffentlichten Video. "Sean ist derart konzentriert, dass er nicht bemerkt, wenn er zu weit aufs Spielfeld läuft oder im Laufweg der Schiedsrichter steht - damit riskieren wir eine Strafe wegen Behinderung, und es ist mein Job, genau das zu verhindern." Rath scharwenzelt permanent um McVay herum, er zieht und schiebt und drückt, hin und wieder packt er herzhaft zu und bringt seinen Chef in Sicherheit.

Wer immer wieder mal wieder mit der Unterhaltungsindustrie zu tun hat - und Profisport in den USA ist mittlerweile nichts anderes als Show -, der weiß von allerhand skurrilen Jobs: Bei den Dreharbeiten des Musikvideos "Jenny from the Block" zum Beispiel gab es einen, der dafür verantwortlich war, die Brustwarzen der Sängerin Jennifer Lopez in Szene zu setzen. Bei der Oscar-Verleihung gibt es Leute, die sich als so genannte "Seatfiller" auf frei gewordene Plätze setzen, sollten die Stars zur Toilette oder an die Bar gehen, und es gibt jemanden, der den Geruch der Gäste überprüft und sie notfalls mit Deo, Kaugummi oder Fußpuder versorgt.

In Florida gibt es Pizza-Taucher

Auch außerhalb des Showbiz gibt es wahnwitzige Berufe: In Südostasien glauben viele Menschen daran, dass eine möglichst laute Beerdigung den Verstorbenen schneller ins Jenseits befördert - also werden professionelle Trauer-Schreihälse engagiert. In Florida liefern Pizza-Taucher die Bestellungen vom Italiener in einem wasserdichten Behältnis in ein Unterwasser-Hotel. Und in Japan pressen die sogenannten Oshiyas so viele Leute wie möglich in die U-Bahn-Wagons.

Raths Job mag skurril klingen, aber wenn man genauer darüber nachdenkt, könnte es sich sogar um ein Zukunftsmodell handeln. Die Leute zum Beispiel, die immer auf ihr Handy starren, selbst wenn sie gerade eine Straße überqueren, könnten jemanden wie Rath gut gebrauchen. Oder vielleicht könnten sämtliche Unternehmen darüber nachdenken, ihren leitenden Angestellten so einen Zurückhalter zur Seite zu stellen. Ja, sogar noch mehr: Im Grunde sollte jeder jemanden haben, der einen ab und an bremst und behutsam in die richtige Richtung lenkt.

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SZ vom 29.01.2019
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