Süddeutsche Zeitung

Makabere Stellenausschreibung:Henker gesucht

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Sri Lanka will zurück zur Todesstrafe und sucht einen Vollstrecker. Doch das Beispiel Philippinen zeigt: Ein brutaler und gnadenloser Staat ist nutzlos im Kampf gegen Drogenkriminalität.

Von Arne Perras

Die Ausschreibung gilt ausschließlich für männliche Bewerber zwischen 18 und 45 Jahren mit mittlerem Schulabschluss. Außerdem wird von ihnen "mentale Stärke" und "ein exzellenter moralischer Charakter" verlangt. Wer sich angesprochen fühlt, der sollte nicht vergessen, den Betreff außen auf seinen Brief zu schreiben: "Bewerbung um den Posten des Henkers". Empfänger ist der Generalkommissar für Gefängnisse in Colombo, Einsendeschluss ist der 25. Februar 2019.

Was nach makabrer Satire klingt, ist derzeit nachzulesen in einer offiziellen Stellenausschreibung, die der Staat Sri Lanka verbreitet. Präsident Maithripala Sirisena sucht dringend einen neuen Henker - und das scheint nicht einfach zu sein.

Seit 2014 ist die Stelle schon vakant, der damalige Hinrichtungsbeamte war angeblich wegen "mentalen Stresses" davongelaufen. Zwar musste er in seinem ganzen Leben nie selbst einen Menschen hinrichten, aber schon die Vorstellung reichte ihm. Er gab an, er sei dem Posten nicht gewachsen, weil er den Anblick des Galgens nicht ertrug. Später stellte der Staat einen Nachfolger ein, aber der war nicht zur Arbeit erschienen. Jetzt müssen Kandidaten erst ihre "geistige Stärke" durch einen Arzt zertifizieren lassen, ansonsten hat ihre Bewerbung gar keine Chance.

Staatliche Hinrichtungen auf Sri Lanka? Das hat es schon seit mehr als vier Jahrzehnten nicht mehr gegeben, obgleich Mord, Vergewaltigung und Drogenhandel laut Gesetz mit dem Strang bestraft werden können. Mehrere Hundert Verurteilte sitzen in Todeszellen, doch seit 1976 hat der Staat stets lebenslange Haft als Höchststrafe praktiziert. Das will Präsident Sirisena nun ändern, er kündigte an, dass er bereits in den kommenden Wochen verurteilte Rauschgifthändler an den Galgen bringen wolle.

Die Bandenbosse werden nicht angetastet

Gut möglich, dass ihn eine Reise auf die Philippinen in seinen Absichten bestärkte. Den sogenannten Anti-Drogen-Krieg seines Amtskollegen Rodrigo Duterte hat Sirisena im Januar in höchsten Tönen gepriesen. Bekanntermaßen lässt der starke Mann in Manila Polizisten und mutmaßlich auch maskierte Todesschwadronen ausschwärmen, um Drogenkriminelle zu jagen. Die Menschenrechtsverletzungen haben weltweit Entsetzen ausgelöst. Doch den Besucher aus Sri Lanka schien das nicht zu irritieren, er zeigte sich beeindruckt vom selbsternannten "Vollstrecker". Dutertes Vorgehen nannte der Gast "ein Vorbild für die Welt".

Gruseliger hätte die Einschätzung nicht ausfallen können, es hat sich längst gezeigt, dass Dutertes Jagd die Probleme nicht löst, sondern viele neue schafft. Nirgendwo ist erkennbar, dass der Präsident Drogensucht oder Schmuggel eindämmt, die Bandenbosse tastet er nicht an. Dennoch ist Duterte populär, auch in der Nachbarschaft findet er viele Bewunderer, etwa in Indonesien oder in Bangladesch, wo der philippinische Anti-Drogen-Krieg fleißige Nachahmer gefunden hat. Synthetische Drogen überschwemmen viele asiatische Länder, und das erzeugt bei den Staatenlenkern einen populistischen Reflex: Sie wollen hart und gnadenlos wie Duterte erscheinen, der Mythos des Vollstreckers lebt, obwohl er nachweislich gegen die Drogenschwemme nutzlos ist.

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Quelle:
SZ vom 15.02.2019
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