Süddeutsche Zeitung

Sprache:Icke, dette, kieke mal

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Der Duden öffnet sich mal wieder für die Berliner Mundart. Keine schlechte Idee. Nur die Begründung ist ziemlich abgefahren. Ist "Icke" wirklich ein häufig verwendetes, überregional gebräuchliches Wort? Come on.

Von Martin Zips

27 000 Begriffe umfasste das erste Duden-Nachschlagwerk im Jahr 1880. Heute sind es gut 140 000. Warum so viele? "Weil sich Sprache permanent ändert und erweitert", sagen die einen. "Weil die Duden-Redaktion heute selbst noch die lächerlichsten Wörter aufnimmt", sagen die anderen. "Wörter, die eigentlich gar nicht in den Duden gehören."

Ist "Icke" ein würdiges Duden-Wort? Ja, hat jetzt die Duden-Redaktion entschieden. "Icke" werde häufig verwendet und sei überregional gebräuchlich. Wegen Thomas "Icke" Häßler, Mittelfeldspieler aus Berlin und Dschungelcamp-Komparse ("Icke schieße wie meine Oma")? Oder wegen Icke und Er, einem mäßig erfolgreichen Rap-Duo aus Berlin ("Jibt et Rüppe mit Jemüse, sach ick: richtig geil")? Hat wirklich schon mal einer einen an der Isar "Icke" sagen hören? Bekommt jetzt auch "Sparifankerl" endlich einen Eintrag? Man sollte dazu wissen: Der Duden-Verlag hat seinen Hauptsitz in Berlin. Und dort waren zuletzt Tausende Unterschriften für die Aufnahme von "Icke" gesammelt worden.

Immerhin: "Icke" ist nicht das erste Berliner Mundartwort, das auf diese Weise geehrt wird. Auch Begriffe wie "Kiez", "koof mich" oder "jwd" (janz weit draußen) wurden mittlerweile zwischen gelbe Buchdeckel gepresst, ebenso wie ihre dialektale Verwandtschaft "Moin, Moin" oder "Motschekiebchen". Im Zeitalter nach Harald Juhnke ist ein möglichst laut ausgesprochenes Hauptstadt-"Icke" freilich vor allem eines: Ein Statement.

"Icke, dette, kieke mal, Oogn, Fleesch und Beene, wenn de mir nich lieben tust, lieb ick mir alleene." (Ich, das, schau mal, Augen, Fleisch und Beine, wenn du mich nicht liebst, liebe ich mich alleine.) So lautet ein Berliner Spruch, an den sich nur keiner mehr erinnert, weil überall nur noch Thinktank, Meeting und Powerpoint ist. Dabei ist auch der "Metrolekt" Berlinerisch eine Weltsprache: Flamen, Hugenotten, Polen, Russen - sie alle haben ihre Spuren hinterlassen. "Det zieht wie Hechtsuppe" soll auf das jiddische 'hech supha' zurückgehen (starker Sturm). Die Uhr hingegen liest der Berliner gerne Alpenländisch ("Watt, schon Viertelvier?"). Und "Mir is janz blümerant" hat seinen Ursprung im französischen "bleu mourant" ("blassblau"), wie auch die Bulette natürlich eine Boulette ist. Eine sehr internationale Sache also, das Berlinerische.

Gerade deshalb ist es am Ende doch keine schlechte Entscheidung, die die Duden-Redaktion da getroffen hat: Mehr Mundart und Dialekt in den Duden! Dämliche Mode-Anglizismen (downloaden, eyecatchern) dafür bald mal raus. Jetzt kiekste, wa?

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SZ vom 08.04.2017
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