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Spion in Ägypten enttarnt:Agent Doppelnull

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Ein Trottel von Spion: Ägypten lacht über einen amerikanisch-israelischen Studenten, der am Nil so ziemlich alles falsch gemacht haben soll, was man in diesem Metier falsch machen kann.

Sonja Zekri

Die ägyptische Facebook-Gemeinde hat eine Seite für Ilan Grapel eingerichtet. Sie heißt "Der dumme israelische Spion." Und vielleicht ist Spott in diesem Fall die beste Art, mit der bizarren Affäre umzugehen, um die es geht. Die schlimmste nämlich wäre eine weitere Eintrübung der Beziehungen zwischen Kairo und Tel Aviv, das kann derzeit keiner brauchen. Ilan Grapel wurde Mitte Juni in seinem Hotel in Kairo festgenommen, weil er für den israelischen Geheimdienst Informationen gesammelt, Protestierende zu "zerstörerischen Aktionen" angestachelt, einen Konflikt zwischen Armee und Volk geschürt, kurz, Chaos und Zwietracht gesät haben soll, so zitieren ägyptische Medien aus offiziellen Berichten.

Schwere Vorwürfe gegen einen segelohrigen 27-jährigen amerikanisch-israelischen Jura-Studenten aus Atlanta. Nach Angaben von Freunden war Grapel nach Ägypten gereist, um Flüchtlingen zu helfen. Falls er wirklich ein Offizier des Mossad sein sollte, dann hätte er, vorsichtig ausgedrückt, nur sehr begrenztes konspiratives Talent gezeigt.

Dass er auf dem Tahrir-Platz mit Protestierenden plauderte, mag noch der Neugier geschuldet sein. Wie aber ist es zu deuten, dass er in Cafés israelische Websites auf dem Laptop las, sich aber in einer Moschee und in seinem Antrag für eine Visa-Verlängerung als Muslim ausgab? Dass er sich auf seiner Facebook-Seite im Krankenhausbett zeigte, nachdem er als Fallschirmspringer für Israel im Libanonkrieg verwundet wurde? "Fehlt nur noch, dass er ein T-Shirt mit dem Wort ,Spion' drauf trägt", lästerte ein ägyptischer Blogger.

Ist so viel Blödheit ein Anlass zum Fremdschämen oder die raffinierteste Tarnung überhaupt? Israels Außenminister Avigdor Lieberman scheint zu Ersterem zu neigen. Grapel habe keine Kontakte zu einem Geheimdienst, "weder in Israel, noch in Amerika, noch auf dem Mars", sagte Lieberman, Grapels Benehmen sei "unverantwortlich", Ägyptens Reaktion "bizarr". Israels Premier Benjamin Netanjahu allerdings orderte bereits einen Gesandten nach Kairo, um einen Austausch Grapels gegen ägyptische Agenten auszuhandeln, was der Spionage-These Nahrung gab. Und ägyptische Kommentatoren mahnen, gewiss sei es möglich, dass der Skandal von ernsteren Problemen am Nil ablenken soll: dem Unmut über die Militärregierung etwa. Und doch sei nicht auszuschließen, dass Grapel Agent sei.

Der alte Groll gegen Israel war während der Revolution irrelevant, aber nun ist er wieder da. Erst versuchten Demonstranten, die israelische Botschaft zu stürmen. Und nun dieser Trottel von Spion. 15 Jahre Haft drohen Grapel; ein ägyptischer Geschäftsmann wurde soeben wegen Spionage zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Und wenn er unschuldig ist? Dann wäre dies die seit Jahren schwerste Niederlage für die ägyptische Spionitis.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2011
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