Süddeutsche Zeitung

Spanien:Lauter als alle anderen

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Spaniens Städte haben ein Problem mit Papageien. Die sind nicht nur sehr lautstark, sondern auch vermehrungsfreudig. Für den Rückgang einheimischer Vogelarten sind aber nicht die Einwanderer verantwortlich.

Von Thomas Urban, Madrid

Die "Rache für die Conquista" ist grün, hat zwei Flügel mit blauen Spitzen und macht richtig viel Lärm. Als Conquista bezeichnen Spanier die gewaltsame Kolonisierung Lateinamerikas. Von dort kommt der Gegenschlag in Form des Mönchssittichs, einer sehr vermehrungsfreudigen Papageienart, ursprünglich vor allem im Norden Argentiniens und den angrenzenden Staaten beheimatet. In fast allen spanischen Großstädten werden in den Parkanlagen seit Jahren immer mehr Papageiennester gesichtet; die Vogelschützer sind alarmiert und in zwei Lager gespalten: Die einen sagen, jeder Vogel muss geschützt werden, die anderen verweisen darauf, dass die Eindringlinge einheimische Vogelarten verdrängen, vor allem Singvögel.

Es sind die Nachkommen von entflogenen oder ausgesetzten Käfigvögeln. Ihre Zuwachsraten sind enorm: Im Stadtgebiet Madrids wurden 2006 knapp 300 Nester gesichtet und die Zahl der Papageien auf 1400 geschätzt. Bei einer erneuten Zählung 2016 waren es 1500 Nester und mehr als 5000 Vögel. Madrid ist somit die spanische Hochburg des Mönchssittichs, der auch längst in anderen europäischen Metropolen angekommen ist. Die größte deutsche Kolonie wurde in Köln ausgemacht, auch in den Benelux-Staaten, in Frankreich und sogar jenseits des Kanals in England wurde er längst heimisch.

Beim Rückgang der Sperlinge ist eher der Mensch Übeltäter

Dabei gibt es Konkurrenz aus der eigenen Familie: Auch der deutlich größere, ebenfalls grüne Halsbandsittich macht sich in Europa breit. Ursprünglich war er in Indien und den Staaten südlich der Sahara zu Hause. Nun hat er sich an die vergleichsweise raueren Winter in Spanien angepasst, die Nachtfrost und scharfen Nordwind bringen. Die spanische Hochburg des Halsbandsittichs ist Barcelona, wo es im Winter nicht ganz so ungemütlich ist wie in Madrid.

In beiden spanischen Metropolen wird längst überlegt, wie man der aggressiven Gesellen Herr wird, die nicht nur lauter sind als alle anderen Vögel, sondern auch Unmengen an Kot produzieren. Als gnadenlose Papageiengegner zeigen sich dabei die Verteidiger des Sperlings, der einst ebenfalls in Massen Spaniens Städte bevölkerte, heute aber überall auf dem Rückzug ist, weil die Städte zubetoniert sind und es dort kaum noch Wiesen und Tümpel gibt. Ornithologen räumen durchaus ein, dass die Papageien Singvögel bei der Nahrungssuche verdrängen; doch sei die Gesamtzahl der Exoten zu klein, um sie für den Rückgang der Sperlingspopulation verantwortlich zu machen. Da sei der Mensch eher der Übeltäter. Es sei allerdings nicht auszuschließen, dass Papageien Keime übertragen, die ihnen selbst nichts anhaben können, aber andere Vogelarten töten.

So war es ja schon bei der Conquista: Die Spanier brachten der Bevölkerung Lateinamerikas als Importkrankheit den Schnupfen, an dem dann Millionen Menschen starben. Die aus Südamerika heimkehrenden Spanier schleppten Geschlechtskrankheiten ein, die - Rache für die Conquista - dann in Europa zur tödlichen Seuche wurden.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2019
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