Süddeutsche Zeitung

Weihnachten:Einfach bombastisch

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Der spanische Küstenort Vigo schmückt sich bereits für die Weihnachtszeit - mit einer Illumination aus 11,5 Millionen LEDs. Den Größenwahn des Bürgermeisters finden nicht alle Bewohner toll.

Von Patrick Illinger, Madrid

Drei Monate Hölle ( infierno), neun Monate Winter ( invierno), heißt es manchmal in Spanien, gemeint ist der Wechsel zwischen sommerlicher Bullenhitze und dem Rest des Jahres. Und da sich der Hochsommer dieser Tage verabschiedet, scheint manchen der Winter nicht schnell genug zu kommen. Soeben hat die galicische Küstenstadt Vigo begonnen, ihre traditionelle Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen zu installieren - bei nachmittäglichen immerhin noch 28 Grad.

Eine üppige Beleuchtung zur Weihnachtszeit ist in Spaniens Städten keine Seltenheit. Doch im Fall von Vigo wird das Wort "Weihnachtsbeleuchtung" der Sache nicht gerecht: Der exzentrische Bürgermeister Abel Caballero verwandelt seine Stadt nun zum wiederholten Mal in eine gewaltige psychedelische Galaxie. Elfeinhalb Millionen LEDs sollen den Küstenort in diesem Jahr erstrahlen lassen, eine bombastische Mischung aus Lichtkunst und blinkendem Kitsch.

Mehr als der Fischmarkt oder der Kreuzfahrthafen soll die 2,2 Millionen Euro teure Illumination Touristen nach Vigo locken. "Ganz Spanien wartet darauf", erklärte der 77-jährige Caballero in dieser Woche bei einer Pressekonferenz. Ungewöhnlich sei der frühe Beginn der Installation nicht. Im vergangenen Jahr habe man die Sache bereits im August in Angriff genommen.

Tatsächlich hat sich Vigo mit leuchtkräftigem Größenwahn in ganz Spanien bekannt gemacht. Mal war eine riesige, begehbare, in wechselnden Farben erstrahlende Geschenkschachtel die Hauptattraktion, mal ein die Häuser überragender Kegel aus Zigtausenden LEDs. Auch in den Seitenstraßen begnügt man sich nicht mit stilisierten Schneeflocken: Da stehen meterhohe Schneemänner herum, riesige Schweifsterne schweben über den Dächern. All das zu installieren, braucht Zeit. Kein Wunder, dass Vigos Bürger dieser Tage bereits mit Straßensperrungen klarkommen müssen.

Beginnend in den Außenbezirken der Stadt soll sich das Lichtermeer durch 450 Straßen erstrecken und an der zentralen Praza Porta do Sol in Form eines zwölf Stockwerke hohen Lichterbaums ihren Höhepunkt finden. "Der größte der Welt", schwärmt Bürgermeister Caballero, berichtet die Online-Zeitung El confidencial.

Im vergangenen Jahr leuchtete die Weihnachtsgalaxie von Vigo fast zwei Monate lang, von Mitte November bis Mitte Januar. Denjenigen unter den 300 000 Einwohnern, die das als Belästigung empfanden, kam man ein wenig entgegen: eine Stunde weniger pro Tag. Wann es in diesem Jahr losgeht, ist derzeit noch eine Geheimsache, andere Orte Spaniens könnten eine konkurrierende Illumination einschalten, fürchtet der Stadtrat.

"Wir haben New York überholt", ist Caballero überzeugt. Sechs Millionen Besucher hätten im vergangenen Jahr das Lichterfest genossen. Den Enthusiasmus des Bürgermeisters, der einst in der Regierung von Felipe González Transportminister Spaniens war, teilen indes nicht alle Einwohner seiner Stadt. Mehrere Klagen sind bei Gericht anhängig. Auch weil die Finanzierung so hoch ist wie der Schuletat des gesamten Jahres. Zeitgleich mit Caballeros Ankündigungen formierte sich ein Protest der örtlichen ÖPNV-Mitarbeiter. Deren Motto lautete: Weniger Lichter, mehr Busse.

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