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Scheinehe in Ägypten:Geliebte bringt Präsidentensprecher in Bedrängnis

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Ehebruch ist im Islam eine Todsünde. Wie praktisch, dass es die Scheinehe gibt: Schnell geschlossen, schnell wieder geschieden, und schon sind die schönen Stunden legitimiert. Das dachte sich auch der Sprecher des ägyptischen Präsidenten. Doch nun meldet sich seine Geliebte öffentlich zu Wort und bringt die Muslimbrüder in moralische Schwierigkeiten.

Tomas Avenarius, Kairo

Wenn es um Frauen geht, sind Islamisten unbeirrbar: Möglichst keinen Kontakt mit der gelebten Lüsternheit, außer man ist mit ihr verheiratet. Ansonsten Schleier, öffentliche Geschlechtertrennung, klare Rollenverteilung zwischen Arbeit (der Mann) und Haushalt mit Kindern (das Weib). Der Mann sei schwach, der Teufel überall. Er ebne dem Laster seine Wege, die Frau spiele dabei stets die satanische Rolle der Versucherin. Ehebruch ist im Islam eine bessere Todsünde, Homosexualität ist vollends unentschuldbar.

Nur gut, dass es bei solch drängenden Problemen für die Heterosexuellen unter den Gläubigen eine Lösung gibt: Die Scheinehe. In Ägypten nennt man sie Urfi. Die Urfi-Ehe ermöglicht, sich eine Geliebte zu nehmen, ohne wegen ein paar schöner Stunden gleich in die Hölle zu kommen. Statt sich vor dem Staat zu verheiraten, schließt man den Teilzeit-Bund privat, im Beisein eines Scheichs und vor Zeugen. Die Scheidung nach ein paar Wochen, Monaten oder Jahren ist umstandslos: In stiller Übereinkunft Abschied nehmen und das Urfi-Papier zerreißen.

Für Ägyptens Präsidentensprecher ist es komplizierter: Seine angebliche Geliebte beharrt auf ihrem Recht als Urfi-Frau. Die islamisch halbwegs sanktionierte Scheinehe garantiert, dass mögliche Kinder der Beziehung alimentiert und vor allem der gute Ruf der Frau geschützt werden.

Nachdem die Zeitung Al-Fagr berichtet hatte, die ägyptische Journalistin Abir Abdelmagid habe ein illegitimes Verhältnis mit Jasser Ali, dem Sprecher von Staatschef Mohammed Mursi, dementierte dieser die "infamen Lügen". Er nahm sich laut al-Arabija einen Anwalt; die Zeitungsjournalistin, die auffallend exklusiv aus dem Innersten des Präsidentenpalastes berichtet hatte, wurde von ihrem Arbeitgeber, der Zeitung Joum7, umgehend entlassen.

Bigotterie in politischen Reihen

Dennoch beharrt sie auf der Anerkennung ihrer Urfi-Ehe. Schließlich habe der ohnehin schon verheiratete Präsidentensprecher sie bei öffentlichen Anlässen gern als "meine Frau" vorgestellt. Für das Bestehen auf den Urfi-Rechten gibt es Beispiele. Eine Nachwuchsschauspielerin, die vor einigen Jahren von einem ägyptischen Filmstar schwanger wurde, setzte vor Gericht nach einem öffentlichen Skandal und einem erzwungenen DNA-Test durch, dass der Geliebte ihr Unterhalt zahlen musste.

Es ist nicht das erste Mal, dass die im Zuge der Tahrir-Revolution ohne großes eigenes Zutun auf die politische Bühne gehobenen Islamisten sich wegen ihrer Bigotterie lächerlich machen. Ein Abgeordneter der radikalislamischen Salafisten wurde nach einem angeblichen Raubüberfall mit zerschlagener Nase und blutunterlaufenden Augen in ein Kairoer Krankenhaus gebracht - in Wahrheit hatte der langbärtige Parlamentarier sich nur einer Nasenverkleinerung unterzogen.

Ein anderer Salafist wurde auf einer einsamen Straße im Auto mit einer wesentlich jüngeren Verschleierten in eindeutiger Verschlingung gesehen - seine Nichte, behauptete der Politiker. Die junge Frau habe auf seinem Schoß gesessen, weil er die durch privates Leid seelisch Aufgewühlte an einem ruhigen Ort habe trösten wollen.

Für Ägyptens Liberale und Säkulare, die den Islamisten derzeit politisch wenig entgegenzusetzen haben, war das eine seltene Genugtuung. Die Frage ist allerdings, wie Präsident Mursi die Urfi-Affäre seines Sprechers sieht. Der mit einer sehr traditionell auftretenden Ehefrau lange verheiratete Muslimbruder gilt als streng gläubig. Zweifel an der Tugend im Palast kann er sich schlecht erlauben - es könnte auf das Amt zurückfallen.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2012
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