Süddeutsche Zeitung

Randale in Schorndorf:Schorndorfer Bürgermeister fordert "Krisenstab Kommunikation"

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Von Barbara Galaktionow

Ja, es hat Randale gegeben bei der "Schorndorfer Woche" in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Und ja, es hat im Umfeld des Volksfests sexuelle Übergriffe von Flüchtlingen auf Frauen gegeben. So viel steht fest.

Doch, nein, es waren nicht 1000 Randalierer, die Flaschen auf Polizeibeamte warfen, sondern nur etwa 100, die aus dem Schutz der zu großen Teilen friedlich feiernden Menge agierten. Und von sechs Fällen, in denen die Polizei wegen sexueller Übergriffe ermittelt, waren in zwei Fällen mutmaßlich Flüchtlinge die Täter. Insgesamt kamen beim Volksfest 53 Straftaten zur Anzeige, 28 davon ereigneten sich in der Nacht auf Sonntag. So teilte es die Polizei am Donnerstag in einer neuen Pressemitteilung mit.

Von einem Ausmaß an Gewalt wie beim G-20-Gipfel in Hamburg oder massenhaften sexuellen Übergriffen wie in der Silvesternacht in Köln vor eineinhalb Jahren ist das weit entfernt. "Wir sind nicht Klein-Köln und wir sind auch nicht Klein-Hamburg", betont Schorndorfs Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD) am Nachmittag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Aalens Polizeipräsident Roland Eisele, die vom SRW live übertragen wird. Eine Wendung, die Klopfer so oder ähnlich immer wieder verwendet, seit sein Ort nach den Vorfällen vom Wochenende bundesweit in die Schlagzeilen geraten ist.

Doch wenn alles nicht so dramatisch war, wenn all die Assoziationen an Hamburg oder Köln eben nicht zutreffen, wie konnte es dann dazu kommen, dass die baden-württembergische Kleinstadt plötzlich auf diese Weise ins Licht der Öffentlichkeit gerückt ist? Und wie kann ein vergleichbares Szenario künftig verhindert werden? Das sind die Fragen, die den Oberbürgermeister und den Polizeipräsidenten umtreiben.

Ausgangspunkt der offenbar nicht ganz zutreffenden Berichterstattung vom Sonntag war demnach wohl eine Pressemitteilung der Polizei. Es sei losgegangen mit der Pressemitteilung, vorher sei, soweit bislang bekannt, über die sozialen Netzwerke nichts über besondere Ereignisse in berichtet worden, sagt Klopfer.

Polizeipräsident Eisele weist eine direkte Schuld der Polizei an Fehlmeldungen allerdings klar zurück: "In der Sache haben wir am Sonntagnachmittag das geschrieben, was uns bislang bekannt war - ohne zu dramatisieren, aber auch ohne zu bagatellisieren", sagt er. Man habe von "1000 versammelten jungen Menschen geschrieben" und nicht von "1000 Randalierern" und davon, dass Migranten unter den Randalierern waren, aber "nicht nur Migranten".

"Wir brauchen eine Krisenstab Kommunikation"

Er macht die Meldung einer Presseagentur für die Fehler verantwortlich - und dass in diesen Zeiten in der Medienberichterstattung Schnelligkeit vor Gründlichkeit gestellt werde. Mit dem, was sich da medial entwickelt habe, habe man nicht gerechnet. Doch müsse man alle Worte künftig noch mehr auf die Goldwaage legen. "Wir werden noch mehr überlegen, was wir kommunizieren", räumt Eisele ein.

Anders sieht das Oberbürgermeister Klopfer. Zwar zeigt er Verständnis dafür, dass die Polizei Samstagnacht nicht sofort in der Lage war, die eskalierende Situation zu beruhigen, bevor weitere Einsätzkräfte eintrafen. Was die Kommunikation hinterher angeht, war der Sturm, den die Pressemitteilung der Polizei heraufbeschwor, aber seiner Ansicht nach vorhersehbar. "Ich habe um16:30 Uhr die Pressemitteilung gelesen und habe gesagt: 'Tagesschau'!", sagt Klopfer.

Offenbar weckte nicht nur bei Medienvertretern, sondern auch beim Oberbürgermeister die in der Pressemitteilung enthaltene Formulierung, wonach es sich bei "einem großen Teil" der Menschen auf dem Schorndorfer Schlossplatz um "Personen mit Migrationshintergrund" handelte, Assoziationen an die Kölner Silvesternacht.

Als Konsequenz aus dem Kommunikationsdesaster wünscht sich Klopfer mehr Unterstützung durch die Landespolitik: "Wir brauchen eine Krisenstab Kommunikation." Eine Stadt wie Schorndorf sei mit einer solchen Lage rein kommunikativ überfordert. Im kommenden Jahr wolle er zudem direkt die Verantwortung übernehmen und sich über die Lageentwicklung beim Volksfest informieren lassen.

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