Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Bar mit Bruchstellen

Ein Londoner Traditionspub wurde vor Jahren illegal abgerissen und sorgt jetzt, inmitten schlechter Bar-Nachrichten, für eine gute.

Von Veronika Wulf

Für Bars als kulturelle Institution des gemeinsamen, meist auch gepflegten Trinkens gibt es zurzeit wenig gute Nachrichten. Einen sehr schwachen Trost spenden Internetseiten, auf denen man sich Bar-Atmosphäre selbst generieren kann - von der Musik über das Klappern am Tresen bis zum Gequatsche der Gäste. Die plärrt dann aus den Laptoplautsprechern, während man einsam sein Supermarktbier kippt und der Branchenverband verkündet, dass mindestens 2000 britische Pubs die Pandemie nicht überleben. Und früher dachte man noch, wenn jemand allein am Tresen der Eckkneipe in das vierte Bier glotzt, sei das das Traurigste der Welt.

Mitte April sollen in England zumindest die Biergärten wieder öffnen. Und auch die nächste frohe Bar-Botschaft kommt von ebendort: Ein Londoner Pub, vor sechs Jahren unerlaubterweise abgerissen, steht wieder. Wie der Guardian berichtet, hatte ein Bauunternehmen mit einem Bulldozer die Carlton Tavern aus den 1920er-Jahren plattgemacht. Es wollte das rare West-Londoner Bauland wohl gewinnbringender nutzen. Doch dank des Protests von mehr als 5000 hartnäckigen Pub-Aktivisten entschieden Behörden, dass das Carlton "Stein für Stein" wiederaufgebaut werden müsse - mit Backsteinfassade, Holztüren und Kachelschildern. Auf Kosten des Bauunternehmers natürlich. Viele Teile der Theke und des Kamins konnten aus dem Schutt geborgen werden. "Es ist nicht alles perfekt", sagte der Betreiber dem Guardian, aber genau das gebe dem Pub Charakter und Charme.

Sollten die Außenbereiche des Carlton wie geplant am 12. April öffnen, Gründe zum Anstoßen gäbe es dann jedenfalls genug. Aber die gibt es ja eigentlich immer.

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