Süddeutsche Zeitung

Justiz:Prozess nach Tod einer Schülerin auf Klassenfahrt

Lesezeit: 1 min

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Anklage gegen zwei Lehrerinnen zugelassen, auf deren Schulfahrt eine 13-Jährige gestorben ist. Emily hatte Diabetes und die Lehrkräfte wussten offenbar nicht Bescheid.

Von Nadja Lissok

Vor etwa vier Jahren ist die 13-jährige Emily aus Mönchengladbach während einer Schulfahrt in London gestorben. Nun wird es doch noch einen Prozess gegen zwei ihrer Lehrerinnen geben, hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschieden. Anders als das Landgericht Mönchengladbach hat das OLG die Anklage zugelassen. Die Staatsanwaltschaft hat die zwei Lehrerinnen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt.

Emily war Typ-1-Diabetikerin. Laut Anklage sollen sich die Lehrkräfte über die Diabeteserkrankung der Schülerin nicht ausreichend informiert haben. Es wird ihnen auch vorgeworfen, Symptome einer akuten Überzuckerung nicht rechtzeitig erkannt und aufgrund dessen eine ärztliche Behandlung zu spät veranlasst zu haben.

Schon kurz nach der Ankunft in London soll es dem Mädchen laut damaligen Aussagen ihrer Freunde und Mitschüler schlecht gegangen sein. Sie habe sich oft übergeben, sei desorientiert gewesen. Die gleichaltrigen Freundinnen hätten die mitreisenden Lehrkräfte mehrfach informiert, diese sollen erst gar nicht und dann nur flüchtig nach Emily geschaut haben. Laut Ermittlungsakte, die die SZ vor einem Jahr einsehen konnte, ließen sie das kranke Mädchen sogar mit zwei gleichaltrigen Freundinnen einen ganzen Tag alleine im Hotel.

Was wussten die Lehrerinnen über Emilys Diabetes?

Erst am Tag der Abreise ruft eine Lehrerin den Notarzt. Emily hat da einen Blutzuckerspiegel von 1470, normal ist nach einer Mahlzeit ein Wert von unter 140. Das Mädchen wird noch im Hotel reanimiert, stirbt jedoch Tage später an einem Herzinfarkt.

Seitdem kämpft Emilys Vater um die Anklage. Das Landgericht Mönchengladbach hatte diese im Februar 2023 abgelehnt. Die damalige Auffassung des Landgerichts: Selbst wenn die Lehrerinnen von der Diabeteserkrankung gewusst hätten, hätten sie als medizinische Laien nicht wissen können, dass die Schülerin ins Krankenhaus muss. Es käme also nicht darauf an, ob sie sich ausreichend über die Vorerkrankung informiert hätten.

Das OLG beurteilt die rechtlichen Fragen anders: Die Angeklagten hätten auf Nummer sicher gehen müssen und bei allen Schülerinnen und Schülern Vorerkrankungen schriftlich abfragen müssen. Offenbar hatten die Lehrerinnen das nur mündlich bei einer Info-Veranstaltung getan. Das genüge nicht. Wenn sie sich besser informiert hätten, hätten sie womöglich auch den Handlungsbedarf schneller erkannt und der Tod hätte verhindert werden können. Wann der Prozess beginnt, ist noch offen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5961932
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/nadl
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.